"Ich wünsche mir, dass die vielen eigenständigen, aktiven Menschen und Kirchengemeinden, die selbst kreativ tätig werden, offensiv und unbürokratisch unterstützt werden", sagte Wegner der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Mit Blick auf Bürokratie, Verwaltungsaufgaben sowie kirchliche Privilegien wie Staatsleistungen stelle sich die Frage, "ob es mit dieser großen Körperschaft so weitergehen kann", sagte Wegner. "Insgesamt könnte alles eine Nummer agiler und flexibler werden."
Der frühere Direktor des Sozialwissenschaftlichen Institutes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist überzeugt, "dass in der Kirche viele angesichts des Mitgliederschwundes darüber nachdenken, wie wir zukunftsfähiger werden". Dazu gehöre allerdings auch, beispielsweise in der Corona-Pandemie theologische Impulse zu setzen, um wahrgenommen zu werden. "Da sehe ich auch ein großes Problem, dass viele Bischöfe es vermieden haben, Corona religiös zu interpretieren."
Verzicht auf wichtigen gesellschaftlichen Beitrag
Viele leitende Theologen hätten die Position vertreten, Corona sei eine Naturkatastrophe, damit habe Gott nichts zu tun, bemängelte Wegner. "Mit diesen Aussagen verzichtet die Kirche auf eine religiöse Gesamtdeutung dieser fürchterlichen Katastrophe." Die Kirche habe zudem nicht angemessen dafür gesorgt, dass um die bundesweit 80.000 und weltweit Millionen Corona-Toten öffentlich getrauert werde, ergänzte Wegner: "Damit verzichtet die Kirche, die eine eigenen Sprache für diese Grenz- und Ursituation hat, auch auf einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft in Deutschland."
Er selbst würde nicht darauf verzichten, Gott in Verbindung mit der Corona-Pandemie zu bringen, sagte Wegner. "Sodass wir ihn auch, wie es früher hieß, ins Gebet nehmen und anklagen können: Gott warum lässt du zu, dass so viele in unserem hoch entwickelten Land sterben?" Die Sicht des christlichen Glaubens könne "wunderbar weit helfen und unendlich bereichernd sein". Dennoch müssten Theologen in der heutigen Gesellschaft akzeptieren, dass man auch konfessionslos glücklich sein, heiraten und begraben werden könne: "Es geht auch ohne - und das müssen die Kirchen wahrnehmen, auch wenn es schmerzlich ist."