Studie: Beschäftigte ohne Tarifvertrag verdienen deutlich weniger

Studie: Beschäftigte ohne Tarifvertrag verdienen deutlich weniger

Düsseldorf (epd). Beschäftigte ohne Tarifvertrag verdienen einer Studie zufolge weniger und arbeiten länger als Beschäftigte mit Tarifvertrag. Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben arbeiteten im Mittel wöchentlich 54 Minuten länger und verdienten elf Prozent weniger, erklärte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in einer am Montag in Köln veröffentlichten Studie. Der deutliche Rückgang der Tarifbindung habe negative Konsequenzen sowohl für die Beschäftigten als auch für die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten.

Im Jahr 2000 waren der Studie zufolge noch mehr als zwei Drittel der Beschäftigten (68 Prozent) in Deutschland in tarifgebundenen Betrieben beschäftigt. Im Jahr 2019 waren es nur noch gut die Hälfte (52 Prozent). Im Osten Deutschlands liegt der Anteil der mit Tarifvertrag Beschäftigen niedriger als im westlichen Teil. In Hessen, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen haben nach den verfügbaren Zahlen zwischen 56 und 58 Prozent der Beschäftigten einen Tarifvertrag. In Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sind hingegen lediglich 43 bis 45 Prozent der Arbeitsplätze tarifgebunden. In den restlichen Bundesländern liegt die Tarifbindung bei 47 bis 51 Prozent.

Bei der Arbeitszeit sind die Unterschiede in Westdeutschland besonders eklatant, wie die Autoren der Studie schreiben. Demnach arbeiten Vollzeitbeschäftigte derzeit in tariflosen Unternehmen in Baden-Württemberg regulär jede Woche 79 Minuten länger als ihre Kolleginnen und Kollegen bei vergleichbaren Arbeitgebern mit Tarifvertrag, in Bremen sind es 64 Minuten. Über das Jahr gesehen entspricht dies mehr als einer zusätzlichen Arbeitswoche. Für die Studie werteten die Autoren Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus.

Damit Tarifautonomie funktionieren könne, brauche es neben starken Gewerkschaften handlungsfähige Arbeitgeberverbände, die für ihre jeweilige Branche Standards setzen können, erklärten die Autoren der Studie. Zugleich sei auch die Politik gefordert. So sei in Mecklenburg-Vorpommern die weitgehende Refinanzierung von Tariflöhnen durch die öffentliche Hand ein wichtiger Faktor für die Steigerung der Tarifbindung im Bereich der Kindertagesstätten gewesen. Zudem verfügten Bund, Länder und Gemeinden mit der öffentlichen Auftragsvergabe und der Wirtschaftsförderung über weitere Hebel. Damit könnten sie Tariftreue zur Voraussetzung für die Auftragsvergabe oder Förderung machen.