Witten/Herford (epd). Der Geschäftsführer der Evangelischen Pop-Akademie in Witten, Martin Bartelworth, sieht trotz monatelangem Stillstand der Kultur durch die Corona-Einschränkungen "keine Anzeichen für ein größeres Chorsterben". Zwar erlebe die Chorarbeit durch die Pandemie ihre größte Krise in der Nachkriegszeit, sagte Bartelworth dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch die Sehnsucht nach der Gemeinschaft im Chorgesang bleibe bestehen. "Wenn es wieder möglich ist, kommen die Menschen auch wieder zusammen", meint der Mitbegründer der Stiftung Creativen Kirche, die bundesweit durch ihre Gospelkirchentage und Musicalproduktionen wie "Martin Luther King" bekannt ist.
Laut einer Online-Umfrage der Pop-Akademie unter mehr als 200 Leitern von Gospel- und Popchören in Deutschland erwarten nur zwei Prozent von ihnen, dass sich ihr Ensemble nach der Pandemie auflöst. Rund 45 Prozent rechneten allerdings mit einer geringeren Mitgliederzahl, sagte Bartelworth. "Wer den Chor nun verlässt, wäre aber über kurz oder lang sowieso gegangen", vermutet der Diakon und Betriebswirt. Ein Neustart der Chorarbeit sei deshalb auch eine große Chance, auf potenzielle neue Mitglieder zuzugehen. "30 Prozent der Deutschen singen gerne", betonte Bartelworth. Er hoffe auf eine bundesweite Kampagne zur Revitalisierung der Chöre.
In diesen Wochen erleben die Ensembles nach Bartelworths Worten ihre "wohl schwierigste Phase" während der Pandemie: "Es dauert schon so lange, und alle fragen: Wie halten wir das bis zu einer Öffnung bloß aus?", erzählte er aus Gesprächen mit Ensembles. Die Chorleiter reagierten sehr unterschiedlich auf den Lockdown: 37 Prozent versammeln laut der Umfragen ihre Sängerinnen und Sänger regelmäßig digital, ein Viertel immerhin ab und zu. Fast 40 Prozent der Gruppen treffen sich jedoch nie im virtuellen Raum.
Die großen Einschränkungen beim gemeinsamen Singen hält Bartelworth nach wie vor für gerechtfertigt. Vorkommnisse bei Gottesdiensten in einzelnen freien Gemeinden hätten bestätigt, welche Infektionsgefahr mit Covid-19 tatsächlich vom gemeinsamen Singen ausgehe. "Bessere Regelungen wird es erst geben, wenn wir geimpft sind", erklärte der Geschäftsführer der Pop-Akademie, zu der ein Institut für Aus- und Weiterbildung sowie der Studiengang "Kirchenmusik Popular" der Hochschule für Kirchenmusik in Herford gehören.
Den Chorleitern rät Bartelworth, vor allem auf ihre eigene Motivation zu achten: "Führen wir uns vor Augen, was gemeinsames Singen für viele Menschen im Alltag bedeutet, dann steigt die Vorfreude!" Für den Sommer sollten die Leiter ein, zwei besondere Events organisieren, etwa ein Sommersingen zum Beispiel auf Freilichtbühnen. Anstatt gleich wieder neue Chorwerke einzustudieren, sollten die Ensembles einfach kleine Singfeste feiern, bei denen es nicht um Leistung gehe. Mit größeren Konzerten in geschlossenen Räumen rechne die Mehrheit der Chorleitenden ohnehin nicht vor 2022.