Spahn: Lockerungen nur mit Augenmaß, Schulen und Kitas zuerst

Spahn: Lockerungen nur mit Augenmaß, Schulen und Kitas zuerst
Jens Spahn ist "diese Pandemie leid", mahnt aber zu Augenmaß in der Debatte über Lockerungen bei den Corona-Schutzmaßnahmen. Virusmutationen werden verstärkt in Deutschland nachgewiesen, dominieren aber noch nicht.
05.02.2021
epd
Von Karsten Frerichs (epd)

Berlin (epd). Die Ungeduld wächst, selbst bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). "Auch ich bin diese Pandemie leid", sagte er am Freitag in Berlin, um zugleich wenig Hoffnung darauf zu machen, dass Bund und Länder bei ihrem nächsten Treffen am Mittwoch umfassende Lockerungen der Corona-Beschränkungen beschließen werden. Nach fast zwei Monaten harter Einschränkungen in Deutschland sinken zwar die Infektionszahlen, doch ansteckendere Virusmutationen lassen das Robert Koch-Institut (RKI) befürchten, dass bei einer Zunahme der Kontakte rasch eine dritte Welle der Pandemie anschwillt.

"Die ansteckenderen Virusmutationen haben ihren Weg auch nach Deutschland gefunden", sagte Spahn. Wenn ihnen die Möglichkeit zur Ausbreitung gegeben würde, sei ein erneuter Anstieg der Infektionszahlen zu befürchten.

RKI-Präsident Lothar Wieler sagte, die Virusmutationen würden inzwischen vermehrt in Deutschland nachgewiesen, seien aber noch nicht dominant. Wie in anderen europäischen Ländern sei aber damit zu rechnen, dass sich die Mutanten weiter ausbreiten und die Pandemie-Bekämpfung dadurch erschwert wird. Wieler warnte: "Das Virus ist noch nicht müde. Im Gegenteil: Es hat gerade noch einmal einen Boost bekommen."

Insbesondere die zuerst in Großbritannien nachgewiesene Mutation B117 bereitet dem RKI Sorge. Sie sei ansteckender als bisherige Formen des Virus, und es gebe erste Hinweise, dass sie auch zu schwereren Covid19-Erkrankungen führe, sagte Wieler. Derzeit seien etwas weniger als sechs Prozent der Corona-Infektionen in Deutschland auf die Variante B117 zurückzuführen.

Spahn warnte angesichts der aktuellen Lage vor zu schnellen Lockerungen der Corona-Einschränkungen. Das mühsam Erreichte dürfe jetzt nicht leichtfertig verspielt werden. Am Mittwoch will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gemeinsam mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Bundesländer beraten, wie es in der Pandemie-Bekämpfung weitergehen soll. Die gegenwärtigen Regelungen, darunter die weitgehende Schließung von Schulen und Kindertagesstätten, gelten noch bis zum 14. Februar. Auch der Handel, der Dienstleistungssektor, Sport-, Freizeit- und Kultureinrichtungen sind bis auf wenige Ausnahmen geschlossen.

Einen Tag nach dem Bund-Länder-Treffen will Merkel am Donnerstag eine Regierungserklärung im Bundestag abgeben. Mehrere Ministerpräsidenten haben Entwürfe vorgelegt, wie stufenweise Lockerungen verabredet werden könnten. Spahn sagte, jetzt gehe es darum, mit Augenmaß "den richtigen Weg mit der richtigen Geschwindigkeit aus dem Stillstand zu finden". "Für mich ist klar: Wenn und sobald wir öffnen, dann zuerst bei Kitas und Schulen", sagte der Gesundheitsminister.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) formulierte mit Blick auf Schulen und Kindertagesstätten eine klare Erwartung: "Wenn es weiter in diesem positiven Sinne geht, dann finde ich schon, dass auch im Februar noch zumindest eine schrittweise Lockerung passieren sollte." Sie sprach sich für einen bundesweit einheitlichen Stufenplan aus, den sie mit den Jugend- und Familienministerien der Bundesländer bereits vereinbart habe. Man müsse den Eltern eine Perspektive geben und auch die Situation der Kinder und Jugendlichen einbeziehen, sagte Giffey am Freitag im Inforadio des RBB.

Nach Angaben des RKI vom Freitagmorgen haben die Gesundheitsämter für die zurückliegenden 24 Stunden 12.908 neue Corona-Infektionen gemeldet, 1.114 weniger als vor einer Woche. Die Zahl der Menschen, die im Zusammenhang mit dem Virus gestorben sind, stieg um 855 auf 60.597.

Die Sieben-Tage-Inzidenz, die angibt, wie viele Menschen sich binnen einer Woche pro 100.000 Einwohner mit dem Virus angesteckt haben, liegt bundesweit bei 79,9 - bei starken regionalen Schwankungen. Ziel der Politik ist eine Inzidenz von unter 50, um Infektionsketten nachverfolgen zu können. Ob bei Inzidenzen unter 50 mehr Kontakte zwischen den Menschen und Lockerungen im öffentlichen Leben ermöglicht werden sollen, ist insbesondere angesichts der besonders ansteckenden Virusmutationen jedoch strittig.

epd kfr/mey fu