Eine unglaublich erschöpfende Kraftanstrengung einerseits, Aufbruch, Zusammenhalt und eine digitale Revolution andererseits: Corona hat auch der evangelischen Kirche im vergangenen Jahr einiges abverlangt. Feststeht: "Corona hat unsere Kirche verändert", sagte der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm am Dienstag im Münchner Presseclub. Und sieht viele neue Chancen.
So müsse Kirche in der Pandemie alle ihr zur Verfügung stehenden Kanäle nutzen, um die Menschen zu erreichen. Denn in dieser schwierigen Zeit sei es wichtiger denn je, Kraft und Hoffnung zu spenden, sagte der Bischof, der auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Da die traditionellen Wege hierfür aktuell nur begrenzt nutzbar seien, hätten die Gemeinden in den vergangenen Monaten kreativ neue Pfade beschritten.
"Haben jetzt digitale Revolution"
So sei Ostern 2020 ein gutes Beispiel dafür, wie Neues auch Früchte tragen könne: "Mit unseren über Fernsehen, Radio und Internet gestreamten Gottesdiensten haben wir mehr Menschen erreicht als je zuvor", erzählte Bedford-Strohm. Er sei stolz auf die Menschen in den Gemeinden, die beherzt zupacken, verständlicherweise seien viele jetzt aber "etwas erschöpft": Es sei eine "riesige Kraftanstrengung, sich immer wieder auf Neues einzustellen". Dennoch sieht der Bischof die Kirche auf dem richtigen Weg: "Wir haben jetzt eine digitale Revolution in unserer evangelischen Kirche", sagte er. Und in diese Richtung gelte es weiterzugehen.
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Auch in Sachen Ökumene sei die Pandemie keine Bremse, "im Gegenteil", betonte Bedford-Strohm: So habe es zum ersten Mal eine gemeinsame ökumenische Weihnachtskampagne von Protestanten und Katholiken gegeben. "Gerade in Zeiten, wo wir für die Menschen da sein wollen, können wir nicht gegeneinander oder nur parallel arbeiten", sagte der Bischof: "Wir können das nur gemeinsam machen."
Corona-Tote sollen sichtbar werden
Zum Thema politische Kirche zeigte sich Bedford-Strohm differenziert. So sei es die Aufgabe der Kirche, klare Kritik zu üben an bestimmten Zuständen - wohl wissend wie schwierig es manchmal sei, sie zu ändern. Der Bischof wehrte sich gegen pauschales Politiker-Bashing. "Es gibt viele Politiker, die ganz genau zuhören", sagte er. Aufgabe der Kirche sei daher, moralische Grundsätze immer wieder in Erinnerung zu rufen. Manchmal mit lauten Worten - und manchmal auch leise, und die Politiker schlicht stützend, wenn er merke, wir hart sie kämpften.
Definitiv befürworte er den Vorschlag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu einem Gedenktag für die Corona-Toten. "Es gibt im Zusammenhang mit diesen Toten so viele Verwundungen", sagte Bedford-Strohm. Es sei gut, wenn sie sichtbar werden. Der Tod sei in den letzten Monaten in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Und Vergessen könne wie ein zweites Mal sterben sein. Daher tue es einer Gesellschaft gut, den Tod nicht zu verbannen. "Für mich ist das Gedenken an die Toten und an die eigene Endlichkeit ein großes Stück Lebenskunst", sagte Bedford-Strohm.
Steinmeier will im April eine Gedenkfeier für die Toten der Corona-Pandemie ausrichten. Ein genaues Datum steht noch nicht fest. Damit verbunden ist die Aktion "#lichtfenster", die von den beiden großen Kirchen unterstützt wird. Alle Menschen sind dazu aufgerufen, bis zu diesem Gedenktag jeden Freitag ein Licht in ihr Fenster zu stellen.
Wickeln noch nicht verlernt
Auch etwas Medienkritik hatte Bedford-Strohm in den Münchner Presseclub mitgebracht. Es sei für ihn manchmal ein Rätsel, warum bestimmte Dinge nicht in die Öffentlichkeit gelangten. Und noch mehr ärgere es ihn, wenn ihm dann vorgeworfen werde, zu Themen - er nannte die Beispiele Waffenexporte und eine gemeinsame Erklärung der Kirchen zu Corona - nichts zu sagen. Denn es habe Statements zu beidem gegeben, sie hätten nur kein Gehör gefunden. Auch sei im vergangenen Jahr kaum ein Kirchenvertreter in die zahlreichen Sondersendungen zu Corona eingeladen worden. "Das verstehe ich nicht", sagte Bedford-Strohm. Denn sie hätten viel zu sagen gehabt. Immerhin habe sich das aber zu Weihnachten hin geändert.
Zum Abschluss wurde Bedford-Strohm persönlich und plauderte über sein jüngstes Glück, sein erstes Enkelkind. Das Opasein sei für ihn "eine der größten Freuden meines Lebens", erzählte er über die Zeit mit seinem knapp zweijährigen Enkel. Auch das Wickeln habe der 60-Jährige nach eigenen Angaben noch nicht verlernt. Und der Opatag stehe fest in seinem Kalender. "Es ist so wunderbar, einem kleinen Kind zuzusehen, wie es die Welt entdeckt", sagte Bedford-Strohm. Den Ratsvorsitz wird er in diesem Jahr abgeben, bayerischer Landesbischof bleibt er bis 2023. Er freue sich jetzt schon darauf, die dann neu gewonnene Freizeit mit seinen Enkeln zu verbringen.