Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm versprach seine "feste Entschlossenheit", nie wieder zuzulassen, dass menschenverachtende antisemitische Ideologien erneut salonfähig werden. Eine wesentliche Ursache für Antisemitismus sehen der Landesbischof und der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland in mangelnden Kenntnissen zum Judentum und Vorurteilen. "Wir wissen in der Breite viel zu wenig über das gelebte Judentum in Deutschland", sagte Bedford-Strohm, der auch Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Vorbehalte und "Gerüchte" gegenüber jüdischen Menschen hielten sich umso bessern, "je weniger man über Juden weiß", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster. Selbst wer persönlich noch nie einen Juden getroffen habe und sich für das Judentum eigentlich gar nicht interessiere, kenne antisemitische Vorurteile.
Dies schlage sich seit Beginn der Corona-Pandemie vor allem in antisemitischen Verschwörungstheorien nieder. Auf den Demos der Querdenker-Bewegung erlebe man dann Vergleiche mit Anne Frank oder sehe gelbe Sterne mit der Aufschrift "Ungeimpft". Dies widere ihn an, sagte Schuster. Antisemiten, Rechtsextremen und Querdenkern dürfe es nicht gelingen, "Ressentiments gegen Minderheiten noch weiter zu verbreiten". Das Gefährliche an der Querdenker-Bewegung sieht Schuster in ihrer Breite.
"Strukturelle Verantwortungslosigkeit"
Rechtsradikale fänden beispielsweise Anknüpfungspunkte zur Öko-Bewegung, sogar Regenbogenfahnen seien auf Demos zu sehen gewesen - neben Reichsflaggen. Die AfD sehe sich als "parlamentarischer Arm der Corona-Leugner". Sie habe nach der Flüchtlingsthematik ein weiteres populäres Feld gefunden, dass sie für ihre Zwecke nutze. "Die AfD steht für mich für strukturelle Verantwortungslosigkeit", mahnte der Zentralratspräsident. "Sie nutzt jede Stimmung, die ihr Stimmen bringt."
Für Ministerpräsident Markus Söder (CSU) muss bei der Debatte um die Corona-Maßnahmen die zentrale ethische Frage des unbedingten Schutzes des Lebens im Mittelpunkt stehen. Es dürfe keinen Unterschied machen, ob jemand 80, 90 oder 20 Jahre alt ist. Gesundheitsvorsorge dürfe auch nicht abhängig sein vom Geldbeutel, wie krank ein Mensch sei und welche Perspektiven er habe. Deshalb werde er dafür eintreten, dass der Schutz des Lebens absolut ist und nicht relativiert wird, betonte Söder. Dabei setze er auch auf die Unterstützung der Kirchen.
Beziehungen festigen
Das Jubiläum "1700 Jahre Judentum in Deutschland" solle Gelegenheit sein, den großen Beitrag jüdischer Menschen für die religiösen und kulturellen Traditionen Deutschlands sichtbar zu machen, sagte Bedford-Strohm. Denn aus dem Judentum seien Inspirationen jenseits religiöser und weltanschaulicher Grenzen gekommen. Deshalb wolle die ökumenische Kampagne "#beziehungsweise - jüdisch und christlich näher als du denkst" zeigen, wie wichtig und eng die Beziehungen von Christentum und Judentum sind. Dieses bundesweite Projekt transportiere wichtige Erkenntnisse des jüdisch-christlichen Dialogs in die Breite der Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen, sagte der Bischof.
Eine Absage des traditionellen Jahresempfangs war für den Direktor der Evangelischen Akademie Tutzing, Udo Hahn, keine Option. Der Empfang, bei dem Repräsentanten von Kirche, Politik und Gesellschaft zusammenkommen, stehe für gesellschaftlichen Respekt und Toleranz. In diesem Jahr sei deshalb besonders wichtig gewesen, an die 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland zu erinnern. Für Heinrich Bedford-Strohm sind während der Corona-Einschränkungen digitale Formate wie der Tutzinger Empfang ein "Segen". Ohne diese Kommunikation wäre die Gefahr noch größer, "dass Formen der Gemeinschaft in unserer Gesellschaft erodieren, die wir dringend brauchen".