Frankfurt a.M. (epd). Innerhalb der evangelischen Kirche wird weiter über den Vorstoß führender Theologen diskutiert, in diakonischen Einrichtungen Sterbehilfe zuzulassen. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, sprach sich am Mittwoch gegen die Möglichkeit von Sterbehilfe in solchen Einrichtungen aus. Die Begleitung bis zum Lebensende schließe für Seelsorger die Beschaffung oder Verabreichung eines Mittels zur Selbsttötung "kategorisch aus", schrieb er in seinem Präsesblog. Die Zusammenarbeit mit Vereinigungen, die organisiert oder gewerbsmäßig eine Förderung der Selbsttötung betreiben, sei "ebenfalls ausgeschlossen".
Hochrangige evangelische Theologen - darunter auch der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie - hatten sich am Montag in einer Stellungnahme für die Möglichkeit von Sterbehilfe in kirchlich-diakonischen Einrichtungen ausgesprochen. Die Einrichtungen sollten eine bestmögliche medizinische und pflegerische Palliativversorgung sicherstellen, heißt es darin. Zugleich dürften sie sich aber dem freiverantwortlichen Wunsch einer Person nicht verweigern, ihrem Leben mit ärztlicher Hilfe ein Ende zu setzen. Offiziell wird in der evangelischen sowie in der katholischen Kirche die Möglichkeit zur Suizidassistenz abgelehnt.
Auch der Palliativmediziner Rainer Prönneke ist strikt dagegen, Menschen in evangelischen Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern einen medizinisch assistierten Suizid zu ermöglichen. Für evangelische Krankenhäuser halte er dies von ihrem Selbstverständnis her für ausgeschlossen, sagte der Chefarzt des Marienstifts in Braunschweig dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dort gelte das Gebot, nicht töten zu dürfen. Prönneke ist im Vorstand des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes. Mit Berufung auf die Selbstbestimmung nähmen Menschen auch andere in die Pflicht. Es müsse ausgeschlossen bleiben, dass Mediziner oder Pflegepersonal dadurch unter Druck gerieten, sich an einer Selbsttötung zu beteiligen.
Auslöser für die Debatte über Sterbehilfe ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem vergangenen Februar. Die Verfassungsrichter hatten den Klagen von Sterbehilfeorganisationen, Ärzten und Einzelpersonen Recht gegeben, die sich gegen das 2015 verabschiedete Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung richteten. Die Karlsruher Richter erklärten das entsprechende Gesetz für nichtig und begründeten das mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das auch Dritten die Assistenz beim Suizid erlaube.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Mittwoch in Berlin, das Gerichtsurteil löse bei ihm Unbehagen aus. Die damalige Debatte im Bundestag, die zum Beschluss des Verbots geschäftsmäßiger Sterbehilfe führte, sei "ein Musterbeispiel für einen parlamentarischen Entscheidungsprozess jenseits der durch die Fraktionsbindung vorgegebenen Mehrheiten" gewesen. Es sei ein intensiver und breiter Prozess gewesen. "Ich habe noch immer ein leichtes Unbehagen bei der Vorstellung, dass eine solche Entscheidung dann durch die Herausarbeitung eines neuen Grundrechtsverständnisses korrigiert wird", sagte der Jurist Schäuble, der der evangelischen Kirche angehört.
Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gilt in Deutschland wieder die Rechtslage von vor 2016, wonach Sterbehilfeorganisationen Suizidassistenz leisten dürfen. Ob der Bundestag noch in der laufenden, im September zu Ende gehenden Wahlperiode ein neues Gesetz beschließt, das Sterbehilfeorganisationen zumindest konkrete Regeln dafür vorgibt oder Ärzten die Suizidassistenz erlaubt, ist bislang offen.
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