Ein Gefühl wie eine feste Umarmung

Die Fürtherin Elli Kolb praktiziert das Eisbaden in der eisigen Pegnitz.
epd-bild/Valeska Rehm
Eisbaden ist für die Fürtherin Elli Kolb mehr als eine sportliche Herausforderung. Das Schwimmen in der eisigen Pegnitz half ihr auch gegen ihre Depressionen.
Eisbaden gegen die Depression
Ein Gefühl wie eine feste Umarmung
Eisbaden ist für die Fürtherin Elli Kolb mehr als eine sportliche Herausforderung. Das Schwimmen in der eisigen Pegnitz half ihr auch gegen ihre Depressionen. Eine Neurobiologin erklärt die körperlichen Effekte.

"Noch Stunden später habe ich das Gefühl, als würde ich ganz fest umarmt", beschreibt Elli Kolb das Gefühl, nachdem sie bei wenigen Plusgraden in der Pegnitz baden war. Die Fürtherin schwimmt in der kalten Jahreszeit regelmäßig in der Natur - ohne Neoprenanzug, sondern nur im Bikini und bei besonders kaltem Wetter mit Neoprenhandschuhen und -socken, damit die Hände und Füße nicht so schmerzen. Mehrere Minuten bleibt die 38-Jährige im Wasser. "Der Körper wird erst so ein bisschen taub und dann spüre ich eine Energie durch mich durchfließen. Wenn ich lange genug im Wasser bleibe, wird mir oft richtig warm. Das ist ein richtig schönes Gefühl."

Angefangen mit dem Eisbaden hat Kolb vor ungefähr fünf Jahren während einer monatelangen depressiven Phase, aus der auch eine Therapie nicht half. "Ich stand unter der Dusche und hatte plötzlich den Reflex, das Wasser kaltzustellen", erzählt sie. "Und da habe ich gemerkt, dass ich mich für ein paar Sekunden auf einmal wieder normal fühle." So fing sie an, zum Thema Kälte- und Wärmetherapie zu recherchieren, probierte kalte Wannenbäder aus und ging kurz darauf zum ersten Mal in der winterkalten Pegnitz baden. Dieses Erlebnis hat sie stark geprägt: "Ich habe gefühlt, dass mein Leben nicht kaputt ist. In so einer Depression hat man das Gefühl, dass alles, was man anschaut, zu Staub zerfällt. Und ich bin in diesen Fluss rein und irgendwie war plötzlich alles um mich herum schön - auch noch Stunden danach."

Dass Eisbaden vielfältige Effekte auf den Körper hat, kann die Regensburger Neurobiologin Inga Neumann bestätigen. "Es regt die Blutzirkulation an, aktiviert das sympathische Nervensystem, es wird Adrenalin freigesetzt", beschreibt die Professorin mit Forschungsschwerpunkt auf Neuroendokrinologie und Verhaltensbiologie.

Entscheidende Substanzen für Emotionen

Neben positiven physischen Auswirkungen, wie dem Ausschwemmen von Giftstoffen, der Stärkung des Immunsystems und einem entzündungshemmenden Effekt, gebe es auch positive Wirkungen im Gehirn "Beim Eisbaden werden zahlreiche körpereigene Substanzen, darunter Endorphine und Enkephaline, aktiviert", sagt Neumann. "Für diese hat das Gehirn Rezeptoren - das sind dieselben, an denen auch Drogen wie Heroin und Opium wirken." Eine Folge sei die Reduzierung von Schmerzen, aber auch eine Stimmungsaufhellung bis hin zur Euphorie. "Diese körpereigenen Opioide reagieren auch mit dem Belohnungssystem des Körpers, und der Botenstoff Dopamin wird aktiviert. Wenn ich mich in diesem kalten Wasser oder danach also gut fühle, habe ich das Bedürfnis, das zu wiederholen." Der Cocktail aus verschiedenen körpereigenen Substanzen, die beim Eisbaden aktiviert werden, darunter auch Oxytocin, könne sich laut der Forscherin positiv auf den Schlaf, die Belastbarkeit, Angstverhalten und die allgemeine Stimmung auswirken. "Diese Substanzen sind also entscheidend für unser emotionales Wohlbefinden."

Für Elli Kolb war das Eisbaden der Wendepunkt in ihrer Depression. "Es hat ein ganz neues Themenfeld für mich geöffnet. Seitdem schaue ich viel mehr darauf, wie Geist und Körper zusammenarbeiten." Ihr helfe es, die Themen, die sie beschäftigen, zu bearbeiten, "wenn ich mein Nervensystem erst in einen guten Zustand bringe". Diesen Zusammenhang beschreibt die Neurobiologin Inga Neumann als Körper-Hirn-Achse. "Wir können durch unsere Gedanken und Emotionen ganz stark körperliches Befinden beeinflussen. Aber das passiert auch umgekehrt." Wenn man krank ist, sei auch das eigene Verhalten stark eingeschränkt. Es könne darum helfen, bei einer psychischen Erkrankung den Körper mitzubehandeln. "Das hängt jedoch von den Risikofaktoren ab, ob eine Depression zum Beispiel durch äußere Faktoren, wie durch chronischen Stress, ausgelöst ist oder genetische Ursachen hat", so Neumann.

Anderen Betroffenen will Elli Kolb mit ihrem eigenen Blog die Informationen geben, die sie selbst am Anfang ihrer Depression nicht hatte. Auf understandingly.de schreibt sie über die Zusammenhänge zwischen Psyche und Körper und wertet dafür immer wieder Studien und wissenschaftliche Artikel aus. Vor kurzem hat die Literaturwissenschaftlerin und Texterin mit "9 Grad" ihren ersten Roman bei Bastei Lübbe veröffentlicht, in dem es auch um psychische Gesundheit und Eisbaden geht. "Ich schreibe einfach über Themen, die mich faszinieren, aber das Buch ist nicht autobiografisch."

Für Menschen, die das Eisbaden ausprobieren wollen, hat Elli Kolb einige Tipps: "Gerade am Anfang sollte man nicht alleine gehen, falls es Kreislaufprobleme gibt. Es ist auch eine gute Idee, sich vorher ärztlich durchchecken zu lassen." Warme Kleidung und warmes Wasser in einer Thermosflasche helfen nach dem Baden, den Körper wieder aufzuwärmen - das Wasser kann man sich über die Hände schütten, um wieder etwas Gefühl zu bekommen. Und ein absoluter Profitipp: Klamotten ohne Knöpfe, die man auch mit klammen Fingern leicht wieder anziehen kann.