Berlin (epd). Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit organisierter Hilfe beim Suizid löst bei Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) nach eigenen Worten Unbehagen aus. Die damalige Debatte im Bundestag sei "ein Musterbeispiel für einen parlamentarischen Entscheidungsprozess jenseits der durch die Fraktionsbindung vorgegebenen Mehrheiten" gewesen, sagte Schäuble am Mittwoch in Berlin. Es sei ein intensiver und breiter Prozess gewesen.
"Ich habe noch immer ein leichtes Unbehagen bei der Vorstellung, dass eine solche Entscheidung dann durch die Herausarbeitung eines neuen Grundrechtsverständnisses korrigiert wird", sagte Schäuble und spielte damit auf das Urteil an. Bei ihm sei die "Abwägung zwischen den verschiedenen verfassungsgebenden Gewalten unangenehm berührt".
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar vergangenen Jahres den Klagen von Sterbehilfeorganisationen, Ärzten und Einzelpersonen Recht gegeben, die sich gegen das 2015 verabschiedete Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung richteten. Die Karlsruher Richter erklärten das entsprechende Gesetz für nichtig und begründeten das mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das auch Dritten die Assistenz beim Suizid erlaube.
Der Bundestagspräsident hatte sich Ende vergangenen Jahres zuversichtlich geäußert, dass der Bundestag nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch in dieser Wahlperiode eine neue Regelung verabschiedet. Noch liegen keine konkreten Gesetzentwürfe auf den Tisch.
Die Suizidassistenz, bei der Sterbewilligen tödliche Medikamente überlassen werden und die zu unterscheiden ist von der aktiven Tötung auf Verlangen, wird seit dem Urteil wieder kontrovers diskutiert. In dieser Woche sorgte ein Beitrag evangelischer Theologen für Aufsehen, die dafür plädieren, die Möglichkeit dieser Form der Sterbehilfe auch in kirchlichen Häusern nicht komplett auszuschließen. Auch unter den Protestanten wird damit um eine Positionierung gerungen.