Frankfurt a.M. (epd). Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat eine Impfpflicht für Pflegekräfte zum Schutz vor dem Coronavirus ins Gespräch gebracht. "Der deutsche Ethikrat sollte sich damit beschäftigen", sagte Söder am Dienstag im "Morgenmagazin" des ZDF und verwies auf den Schutz der Bewohnerinnen und Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen. "Eine allgemeine Impfpflicht wird und soll es nicht geben", sagte der CSU-Vorsitzende. Söders Äußerungen lösten eine intensive Debatte aus, in der SPD-Politiker wie auch Experten und Fachverbände auf Gegenkurs gingen. Zustimmung signalisierte allein der Weltärztebund.
Der "Süddeutschen Zeitung" hatte Söder zuvor gesagt, es wäre "gut, wenn der deutsche Ethikrat Vorschläge machen würde, ob und für welche Gruppen eine Impfpflicht denkbar wäre". Auch in anderen Bereichen gebe es eine Impfpflicht, Söder verwies im ZDF auf Impfungen gegen Masern.
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) entgegnete in Hannover: "Die Diskussion über einen Impfzwang für bestimmte Berufsgruppen bringt uns keinen Schritt weiter." Jetzt über einen Impfzwang zu räsonieren, löse eher mehr Misstrauen als mehr Impfbereitschaft aus, betonte Weil: "Genau darum muss es jetzt aber gehen."
Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) sagte in der Sendung "Frühstart" von RTL und ntv: "Ich halte den Weg für richtig, dass wir keine Impfpflicht einführen." Bei Pflegekräften und Medizinern müsse man stattdessen mehr werben.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, lehnte eine Impfpflicht für Pflegeberufe ebenfalls ab. Er setze auf Aufklärung und eine freiwillige Entscheidung. "Immer da, wo ich mit Druck agiere, werde ich möglicherweise genau das Gegenteil damit erreichen", gab er zu bedenken und warnte, den Frust in der stark belasteten Berufsgruppe zu erhöhen.
Der Ethikrat hatte sich bereits Mitte 2019 in der Stellungnahme "Impfen als Pflicht?" am Beispiel der Masernimpfung mit dem Thema beschäftigt. Er lehnte eine allgemeine Pflicht zur Impfung ab, hielt sie aber angesichts von wiederholten Masernausbrüchen für bestimmte Berufsgruppen für sinnvoll. Die Differenzierung zwischen allgemeiner und berufsbezogener Impfpflicht könnte "perspektivisch" auch auf andere Impfungen bezogen werden, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage. Der Ethikrat kann von der Bundesregierung oder dem Bundestag beauftragt werden, zu bestimmten Themen Stellung zu nehmen.
Das Ziel von mehr Aufklärung statt gesetzlichem Zwang betonten auch Sozialverbände. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte, das Vertrauen in die Wirksamkeit und Sicherheit der Impfungen werde wachsen, "weil immer mehr geimpfte Pflegemitarbeitende ihre Kolleginnen und Kollegen ermutigen werden, sich auch impfen zu lassen". Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), es überzeuge nicht, "erst überall zu versprechen, die Impfung wäre garantiert freiwillig, und dann eine Diskussion über Ausnahmen von der Regel zu führen". Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt plädierte ebenfalls für eine verständliche Informationsstrategie zur Aufklärung über den Corona-Impfstoff, um offene Fragen zu beantworten und Ängsten entgegenzuwirken.
Bevor über eine Impfpflicht überhaupt nachgedacht werde, müsse mit Nachdruck von allen Seiten auf die Steigerung der Impfbereitschaft hingearbeitet werden, betonte die Caritas. "Wir wissen auch: mit jedem, der sich impfen lässt, nimmt die Zahl der impfskeptischen Mitarbeiter ab", sagte Präsident Peter Neher dem epd.
Weltärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery sprach sich dagegen für eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen aus. "Wer Umgang mit vulnerablen Gruppen hat, muss immunisiert sein", sagte der Vorsitzende des Weltärztebundes den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag): "Für Pflegekräfte und medizinisches Personal ist eine berufsspezifische Impfpflicht gegen Corona sinnvoll." Der Mediziner forderte zudem weitreichendere Schritte: "Auf Dauer brauchen wir eine allgemeine Impfpflicht gegen Corona."
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