Frankfurt a.M. (epd). Hochrangige Vertreter der evangelischen Kirche plädieren nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Montag) für die Möglichkeit eines assistierten professionellen Suizids in kirchlich-diakonischen Einrichtungen. In einer unter anderem von Diakonie-Präsident Ulrich Lilie und dem hannoverschen Landesbischof Ralf Meister unterzeichneten Stellungnahme heißt es demnach, kirchliche Einrichtungen sollten eine bestmögliche medizinische und pflegerische Palliativversorgung sicherstellen. Zugleich dürften sie sich aber dem freiverantwortlichen Wunsch einer Person nicht verweigern, ihrem Leben mit ärztlicher Hilfe ein Ende zu setzen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar vergangenen Jahres im Wesentlichen den Klagen von Sterbehilfeorganisationen, Ärzten und Einzelpersonen Recht gegeben, die sich gegen das Verbot organisierter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung richteten. Die Karlsruher Richter erklärten das entsprechende Gesetz für nichtig und begründeten dies mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das auch Dritten die Assistenz beim Suizid erlaube.
Landesbischof Meister hat nach dem Urteil wiederholt erklärt, es gebe ein Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben. Diakonie-Präsident Lilie sagte im Dezember dem Evangelischen Pressedienst (epd), Prävention zur Verhinderung eines Suizids sei für die Diakonie "das erste Gebot". "Danach sagen wir aber auch: Wir begleiten alle Menschen, auch diejenigen, die trotz all dieser Angebote den Weg des assistierten Suizids wählen."
In der Stellungnahme heißt es laut Vorabmeldung der FAZ weiter: "Leider gibt es im Umgang mit Suizidenten durch die Kirche eine lange Schuldgeschichte." Heute gebiete es der "aus dem christlichen Glauben entspringende Respekt vor der Selbstbestimmung", dem Sterbewilligen Beratung, Unterstützung und Begleitung anzubieten. Kirchliche Einrichtungen müssten Orte sein, in denen Suizid auf "sichere und nicht qualvolle Weise" vollzogen werden könne. Durch eine Professionalisierung der Selbsttötung, die die Begleitung der Sterbenden wie seiner Angehörigen durch qualifizierte Seelsorgerinnen und Seelsorger einbeziehe, könne auch der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe die Grundlage entzogen werden.
Kritik kam umgehend von der katholischen Kirche. Die Ermöglichung des assistierten Suizids sei "nicht die richtige Antwort auf die Lebenssituationen von Menschen, die Suizidwünsche entwickeln oder Suizidabsichten haben", erklärte der Sprecher der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am Sonntag. Und weiter: "Nicht die Hilfestellung zum Suizid, sondern die Unterstützung bei der Entwicklung von Lebensperspektiven ist in diesen Situationen geboten. Den subtilen Druck, dem assistierten Suizid zuzustimmen, um am Ende des Lebens anderen nicht zur Last zu fallen, halten wir für eine große Gefahr."
Die Stiftung Patientenschutz erklärte, es werde von "höchstem Interesse sein, wie Tausende Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser in protestantischer Trägerschaft die Suizidbeihilfe organisieren wollen. Denn lebenssatte, einsame, pflegebedürftige oder psychisch erkrankte Menschen haben ebenso ein Recht auf Hilfe zur Selbsttötung." Es werde Zeit, dass sich die evangelischen Kirchen in Deutschland der Diskussion in aller Breite stellen. "Dann wird auch klar, ob die Vorschläge mehrheitsfähig und verantwortungsbewusst sind", erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch.