Leipzig (epd). Nach einem Kaiserschnitt können Ärzte keinen legalen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Ist erst einmal die Gebärmutter geöffnet, stellt die dann erfolgte Tötung des Kindes einen strafbaren Totschlag dar, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Montag veröffentlichten Beschluss. (AZ: 5 StR 256/20) Der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig bestätigte damit die Verurteilung zweier Geburtsmediziner wegen Totschlags in minder schwerem Fall.
Hintergrund des Verfahrens war die Schwangerschaft einer Frau mit Zwillingen. Bei einem Kind entwickelten sich schwere Hirnschäden, der andere Zwilling entwickelte sich normal. Nach einer Beratung wollte die Frau einen sogenannten selektiven Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen: Der hirngeschädigte Zwilling sollte abgetötet, der andere entbunden werden. Solch ein Schwangerschaftsabbruch kann bis zur Geburt straffrei sein.
Die behandelnden Geburtsmediziner wandten jedoch nicht die übliche Methode für einen selektiven Schwangerschaftsabbruch an. Stattdessen führten sie in Absprache mit der Mutter einen Kaiserschnitt durch, um das gesunde Kind zu entbinden. Anschließend wurde der andere, schwer geschädigte Zwilling mit einer Kaliumchlorid-Injektion getötet.
Nach mehreren Jahren erfuhr die Staatsanwaltschaft über eine anonyme Anzeige von dem Vorgehen der Ärzte. Das Landgericht Berlin bestätigte den Vorwurf des gemeinschaftlichen Totschlags und verurteilte die Mediziner zu Bewährungsstrafen von eineinhalb Jahren bzw. einem Jahr und neun Monaten.
Der BGH bestätigte das Urteil im Grundsatz. Die Tötung des schwer geschädigten Zwillings sei Totschlag und nicht ein straffreier Schwangerschaftsabbruch gewesen. Ein straffreier Schwangerschaftsabbruch sei nur bis zum Beginn der Geburt möglich.
Hier habe die Geburt aber bereits mit dem Kaiserschnitt und der Öffnung der Gebärmutter begonnen, so dass die anschließende Tötung des geschädigten Kindes als Totschlag zu werten sei. Zu Unrecht habe das Landgericht jedoch den Ärzten zur Last gelegt, dass sie die Tat geplant und nicht in einer Notsituation begangen hätten. Die Höhe der Strafen müsse daher noch einmal neu verhandelt werden.