Berlin (epd). Die Corona-Impfungen für die Hochrisikogruppen werden sich nach Worten von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wochenlang hinziehen. Bis die über 80-Jährigen, die Pflegeheimbewohner und deren Pflegekräfte geimpft seien, werde es mindestens ein bis zwei Monate dauern, sagte Spahn am Freitag vor Unterzeichnung der Coronavirus-Impfverordnung in Berlin. "Das heißt für uns alle: Der Winter wird noch lang."
Regierungssprecher Steffen Seibert äußerte sich ähnlich: "Die bevorstehende wahrscheinliche Zulassung des ersten Impfstoffs gibt natürlich Hoffnung, wird uns aber das Problem natürlich nicht lösen", sagte er in Berlin. "Realistisch müssen wir uns darauf einrichten, dass sicherlich die Monate Januar und Februar noch zu den schwersten gehören, die wir in dieser Pandemie haben."
Die Verordnung, die Spahn noch am Nachmittag unterschreiben wollte, gilt rückwirkend zum 15. Dezember. Sie sieht drei Gruppen vor, die vorrangig geimpft werden sollen: solche mit "höchster Priorität", mit "hoher Priorität" und mit "erhöhter Priorität". Der Minister sagte: "Die Schwächsten zu schützen, ist das erste Ziel." Und jeder zweite Todesfall im Zusammenhang mit Covid-19 betreffe Menschen über 80.
Spahn erläuterte, wer geimpft werden solle, werde von den zuständigen Stellen informiert. Er rief dabei zur Geduld auf und zitierte einen Aufruf der britischen Gesundheitsbehörden. "Die Briten können das immer besser ausdrücken, weil es dann irgendwie freundlich und doch klar klingt: Don't call us, we'll call you", sagte er - auf Deutsch also: Rufen Sie uns nicht an, wir werden Sie anrufen.
"Beim Impfen geht es nicht um Wertschätzung, sondern um Schutz", begründete er noch einmal die Impf-Reihenfolge. Erreicht werden sollten bei den ersten Durchgängen auch jene Menschen über 80, die zu Hause gepflegt werden. Mobile Impfteams würden gezielt auch in diese Bereiche gehen. Als Beispiel nannte Spahn die Stadt Nürnberg, die Impfbusse habe. Sobald mehr Impfstoff zur Verfügung stehe, könnten Zug um Zug mehr Menschen geschützt werden.
Laut Verordnung sind in der Gruppe, die mit "höchster Priorität Anspruch auf Schutzimpfung" haben neben den Hochbetagten und ihren Pflegekräften auch Personen, "die in Bereichen medizinischer Einrichtungen mit einem sehr hohen Expositionsrisiko" in Bezug auf Covid-19 tätig sind - "insbesondere auf Intensivstationen, in Notaufnahmen, in Rettungsdiensten". Konkret genannt werden dabei auch "Leistungserbringer der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, in den Impfzentren" sowie Personen, die zum Beispiel in der Onkologie oder Transplantationsmedizin tätig sind, wo Patienten im Falle einer Infektion massiv gefährdet wären.
Spahn bekräftigte, dass mit dem Impfen am 27. Dezember begonnen werden soll. Alle Beteiligten in Bund, Ländern und Kommunen würden über Weihnachten daran arbeiten, dass es dann losgehen könne. Er ging - nach aktuellem Stand - davon aus, dass es im ersten Quartal 11 bis 13 Millionen Impfdosen geben wird. Dabei sei die Zulassung weiterer Impfstoffe - einer schon im Januar - wahrscheinlich, was die Impfmengen noch vergrößern werde. Dadurch würden im Zeitverlauf die Übergänge bei den Impfprioritäten fließend. Die Verordnung werde regelmäßig angepasst werden müssen.
Im Gegensatz zu den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) gibt es in der Verordnung des Gesundheitsministers nicht sechs sondern drei Kategorien. Während er und sein Ministerium in der dritten Gruppe mit "erhöhter Priorität" seien - ebenso wie Lehrer und Erzieher - gehören Bereitschaftspolizisten, die bei Demonstrationen von Coronaleugnern eingesetzt werden, in die zweite Gruppe mit "hoher Priorität". Spahn betonte, er selbst könne sich aussuchen, wer ihm begegne, ein Polizist bei einer "Querdenker"-Demo im Einsatz nicht.
Wenn indes die Phase erreicht sei, in der die dritte Impfgruppe an die Reihe komme, gebe es womöglich schon genügend Impfstoff, dass "in Richtung Sommer" allen ein Impfangebot gemacht werden könne.
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