Die Kirchen in Baden-Württemberg appellieren an die Bundes- und Europaabgeordneten, der Schaffung von Flüchtlingslagern an den Außengrenzen der Europäischen Union unter Haftbedingungen und Asylschnellverfahren nicht zuzustimmen. In einer gemeinsamen Mitteilung äußern die katholischen Diözesen Freiburg und Rottenburg-Stuttgart sowie die Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg schwere Bedenken. Die Gesetzesvorschläge der EU-Kommission sähen "weitere massive und menschenrechtlich äußerst bedenkliche Verschärfungen des EU-Asylrechts vor", kritisierte der badische Diakoniechef Urs Keller.
Keller sagte, es widerspreche dem christlichen Menschenbild, Asylsuchende in großen Lagern hinter Stacheldraht festzuhalten. Ein faires Asylverfahren sei unter diesen Bedingungen praktisch nicht möglich. Manuel Rogers, Referent für Flüchtlingspastoral in der Erzdiözese Freiburg, betonte: "Wer aus seinem Heimatland fliehen muss, hat ein Recht auf eine individuelle Prüfung seines Schutzgesuchs durch die EU-Asylbehörden und seines Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention."
Ludwig Rudloff, Flüchtlingsbeauftragter des Bischofs der Diözese Rottenburg-Stuttgart, sieht die Menschenwürde bedroht: "Die Lage in den Flüchtlingslagern auf Lesbos, wie auch in den anderen überfüllten Lagern der Ägäis, steht für die Entwürdigung und jahrelange Hoffnungslosigkeit Tausender Menschen mitten in Europa." Die Lebensbedingungen im Nachfolgelager von Moria auf der Insel Lesbos seien "noch entwürdigender" als im ehemaligen Lager. Auch auf den Kanarischen Inseln spitze sich die Situation extrem zu.
Für die württembergische Landeskirche sagte Diakonie-Chef Dieter Kaufmann, man sei entsetzt, dass die EU die Zustände nicht längst beendet habe. Die Bevölkerung in Baden-Württemberg habe in den letzten Jahren gezeigt, wie Flüchtlingsaufnahme erfolgreich gelingen könne. Der Appell der vier Kirchen erschien kurz vor dem geplanten Treffen der Innen- und Justizminister der EU, das Anfang Dezember stattfinden soll.