Berlin (epd). Nach kontroverser Debatte hat der Bundestag am Mittwoch in Berlin das dritte Gesetz zum Bevölkerungsschutz verabschiedet. Neben Union und SPD stimmten auch die Grünen der Regierungsvorlage zu. FDP, die Linke und AfD lehnten das Gesetz ab, das den rechtlichen Rahmen für die Corona-Regeln bestimmt. Am Mittwochnachmittag gab auch der Bundesrat grünes Licht für das Gesetz. Die abschließenden Beratungen wurden von Protesten im Regierungsviertel und Störmanövern der AfD im Bundestag selbst begleitet.
Die Bundesländer müssen dem Gesetz zufolge ihre Verordnungen zur Eindämmung der Pandemie künftig befristen. Die Opposition kritisierte, die Gesetzesnovelle verschaffe dem Parlament nicht genug Einfluss auf Entscheidungen über Eingriffe in die Grundrechte. Union und SPD verteidigten den Entwurf und erklärten, die Gesetzesänderungen schafften Rechtssicherheit, stärkten den Bundestag und gäben den Bundesländern einen klaren Rahmen für ihre Schutzmaßnahmen.
Die AfD-Fraktion versuchte vergeblich, die Abstimmung abzusetzen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, nannte das Gesetz eine "Ermächtigung" für die Regierung. Zwischenrufe aus der AfD-Fraktion und symbolische Akte über das angebliche Ende des Grundgesetzes störten die Debatte immer wieder.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), stellte klar: "Wir weiten den Handlungsspielraum der Regierung nicht aus, sondern engen ihn ein." An die Adresse der AfD erklärte sie, es werde ein Anspruch auf Impfungen gegen das Coronavirus eingeführt, keine Impfpflicht. Das Gesetz dient auch der Vorbereitung von Impfprogrammen, der Ausweitung von Testkapazitäten und der Anpassung von Entschädigungs- und Reiseregelungen.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner begründete die Ablehnung seiner Fraktion damit, dass der Bundestag nicht ausreichend gestärkt werde: "Wir als Parlament müssen die Entscheidungen der Regierungen lenken, wenn in Grundrechte eingegriffen wird", sagte er. Dafür sei das Gesetz zu unbestimmt.
Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, hielt dagegen, die Länderregierungen müssten ihre Verordnungen künftig immer wieder überprüfen, weil das Gesetz verlange, dass sie die Verordnungen befristen und begründen müssen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte die Änderungen im Infektionsschutzgesetz und erinnerte an den Zweck aller Maßnahmen. Es dürfe nicht zu einer Überforderung des Gesundheitswesens kommen, die zu viel Leid führen werde, sagte er.
Durch das dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung werden im Infektionsschutzgesetz die Maßnahmen konkretisiert, die Bund und Länder ergreifen können, wenn die Infektionen stark steigen. Dazu zählen neben Maskenpflicht, Abstandsgeboten und Reisebeschränkungen auch Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen, die Schließung von Betrieben und Einrichtungen sowie Veranstaltungs- und Gottesdienstverbote. Die Bundesländer müssen ihre Verordnungen künftig grundsätzlich auf vier Wochen befristen und begründen. Der Bundestag muss regelmäßig informiert werden.
Die Corona-Schutzmaßnahmen werden seit Beginn der Pandemie auf der Grundlage gemeinsamer Beschlüsse der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten sowie des Kanzleramts in Länderverordnungen geregelt. Gerichte hatte einzelne Bestimmungen gekippt mit der Begründung, die sogenannte Generalklausel im Infektionsschutzgesetz, wonach der Staat während einer Pandemie im Ernstfall "notwendige Maßnahmen" ergreifen kann, reiche als Rechtsgrundlage inzwischen nicht mehr aus.
Im Berliner Regierungsviertel demonstrierten Tausende Kritiker der Anti-Corona-Maßnahmen. Redner sprachen von einer "Corona-Diktatur" und zogen Vergleiche zum Nationalsozialismus. Erneut hatten Demonstranten an Kleidung oder Rucksäcken Judensterne angebracht. Wegen der Nichteinhaltung der Abstands- und Maskenregel erklärte die Polizei die Versammlung am Brandenburger Tor am Nachmittag für beendet und setzte Wasserwerfer ein. Die Demonstranten rührten sich zunächst dennoch nicht vom Platz.
Von allen Parteien mit Ausnahme der AfD wurden diese Vergleiche mit Empörung zurückgewiesen, ebenso von der Bundesregierung. "Wer in diesem Zusammenhang vom Ermächtigungsgesetz redet, will Assoziationen zum sogenannten Ermächtigungsgesetz des Reichstags am 24. März 1933 hervorrufen", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Das Parlament habe damals Verantwortung an die Regierung delegiert. Das sei heute nicht so. Das Parlament schaffe begrenzte und befristete Rechtsgrundlagen für das Regierungshandeln, die das Parlament jederzeit wieder ändern könne, sagte Demmer.
epd bm/co mih