Frankfurt a.M. (epd). Im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat sich am Montag die Ehefrau des Opfers, Irmgard Braun-Lübcke, in einer emotionalen Aussage direkt an die Angeklagten Stephan E. und Markus H. gewandt. "Sagen Sie uns die Wahrheit, nur das kann uns noch helfen", sagte die 67-Jährige am 30. Verhandlungstag aus dem Zeugenstand im Oberlandesgericht Frankfurt am Main heraus zu E. Zuvor hatte E. mit gebrochener Stimme zur Witwe gesagt, deren Kummer tue ihm "unendlich leid".
E. wird vorgeworfen, den CDU-Politiker Lübcke am 1. Juni 2019 um 23.20 Uhr auf dessen Hausterrasse in Wolfhagen-Istha bei Kassel in den Kopf geschossen zu haben. Markus H. soll E. in seinem Entschluss bestärkt haben, unter anderem durch gemeinsame Schießübungen. Beide Angeklagten sollen nach Aussage der Bundesanwaltschaft aus rechtsradikaler, fremdenfeindlicher Gesinnung gehandelt haben. Lübcke hatte sich vor allem im Jahr 2015 für die Aufnahme von Flüchtlingen eingesetzt und war dafür immer wieder hart angegangen worden.
Braun-Lübcke, die zusammen mit ihren zwei Söhnen als Nebenklägerin an dem Prozess teilnimmt, schilderte am Montag auch den Schmerz, den der gewaltsame Tod ihres Mannes bis heute verursache. Es sei "ganz unfassbar und schrecklich", dass ihr Mann "durch einen ganz perfiden Mord" ums Leben gekommen sei, sagte sie unter Tränen. "Das Leben ist nicht mehr das Leben, das Haus ist nicht mehr das Haus", schilderte sie die Gefühle der Familie.
Bis heute leide die Familie darunter, dass sie nicht wisse, was genau an diesem Abend geschehen sei. Sie wüssten nicht, ob ihr Mann H. "ins Gesicht geschaut hat". Ob er E. auf der Terrasse gesehen habe. Ob es ein Gespräch gegeben habe, wieso er nicht weggegangen sei. "Was genau ist passiert?", fragte sie mit geballter Faust und schaute E. und H. an.
Der Angeklagte E. wandte sich direkt an die Witwe: "Es tut mir leid, es tut mir leid, dass in Ihrem Herzen Kummer ist Tag für Tag, es tut mir unendlich leid", sagte er, ohne auf die weiteren Fragen der Frau einzugehen. Zum Angeklagten H. sagte Braun-Lübcke: "Aus Worten werden Taten." Durch seine Gespräche und andere Kontakte mit E. sei er mitverantwortlich für die Tat.
Nach dem Sohn Jan-Hendrik Lübcke, der seinen Vater auf der Terrasse gefunden hatte, war Braun-Lübcke das zweite Familienmitglied, das im Prozess aussagte.