Bielefeld/Luxemburg (epd). Datenschützer und Bürgerrechtler aus 16 Ländern haben die EU-Kommission zu einem EU-weiten Verbot von genereller und anlassloser Vorratsdatenspeicherung aufgefordert. Laut Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg vom Dienstag sei es illegal, Kommunikationsdaten pauschal von allen Bürgern auf Vorrat zu sammeln, erklärte Friedemann Ebelt von der deutschen Datenschutzorganisation Digitalcourage in Bielefeld. Diese "Selbstverständlichkeit" müsse endlich von Regierungen ernst genommen und umgesetzt werden.
In ihrem offenen Brief an vier EU-Kommissare fordern 40 Nichtregierungsorganisationen von der Kommission, Verfahren gegen Mitgliedsländer anzustrengen, die mit ihren Gesetzen und Praktiken Kommunikationsdaten auf Vorrat speichern. Die Kommission solle keine weiteren Pläne zur Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung verfolgen. Der EuGH habe in seinem Urteil "äußerst weitgehende Spielräume" für Überwachung eröffnet, warnte der Digitalcourage-Aktivist Ebelt. Diese dürften nicht ausgenutzt werden.
Dem Spruch der Luxemburger Richter zufolge können EU-Mitgliedsstaaten im Falle einer ernsten Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit befristet eine Vorratsdatenspeicherung anordnen, allerdings nur so lange wie unbedingt nötig und kontrolliert von Gerichten (AZ: C-623/17, C-511/18, C-512/18 und C-520/18). Das Urteil bezieht sich auf die Telekommunikationsüberwachung in Frankreich, Belgien und Großbritannien.
Nach Auffassung von Digitalcourage ist die Entscheidung für die gesamte Europäische Union richtungsweisend. Sie bedeute, dass auch das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung EU-Grundrechte verletze, sagte Ebelt. Es dürfe daher kein Vorbild für die EU und andere Länder werden, forderten die Datenschützer in ihrem Brief an die Kommission. Zurzeit ist das deutsche Gesetz faktisch ausgesetzt und liegt dem EuGH in einem separaten Verfahren zur Prüfung vor.
Den offenen Brief an die EU-Kommission unterstützen den Angaben zufolge in Deutschland neben Digitalcourage unter anderem eco-Verband der Internetwirtschaft, der Chaos Computer Club, die Deutsche Aidshilfe, die Deutsche Vereinigung für Datenschutz und die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen.