Wenn Gottesdienste, Kongresse und Versammlungen wegen Corona nur noch eingeschränkt möglich sind, müssen die Beziehungen über das Internet laufen. Doch hier sind noch viele haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter überfordert - technisch, konzeptionell und auch rechtlich. Um das zu ändern, hat der Unternehmer Benedict Hoyer aus Gerlingen bei Stuttgart mit einem Team von rund 60 Leuten eine Social-Media-Akademie entwickelt.
"Der häufigste Fehler, den ich bei den Internetaktivitäten kirchlicher Leute sehe, ist: Man weiß nicht, was man eigentlich will", seufzt Hoyer. Zwar wollen alle digitaler werden, doch schon bei der Frage, wen genau man künftig intensiver über das Netz ansprechen wolle, fehle oft die Antwort. "Wer sich nur um die Generation 80plus kümmern möchte, braucht keine Sozialen Medien", so seine Einschätzung.
Der 32-Jährige betreibt eine kleine Filmproduktionsfirma und hat sich in den vergangenen Jahren zudem auf Social Media spezialisiert. Zu diesem Thema organisierte er im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Evangelischen Jugendwerk Württemberg ein "Bootcamp", um junge Leute fürs Texten, Fotografieren, Filmen und Posten fitzumachen. Mit der Social Media Akademie steht dieses Wissen nun einem breiteren Publikum zur Verfügung. Den Anstoß dazu hätten Leiter aus der Deutschen Evangelischen Allianz gegeben, aber auch von der Digitalisierungsstelle der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sei er ermutigt worden, sagt er.
Facebook eher für Ältere - Instagram für Jüngere
Auf einer Internetplattform stehen nun 28 Videos mit je 10 bis 15 Minuten Länge zur Verfügung. Als Ergänzung erhalten die Teilnehmer ein Arbeitsbuch mit 67 Seiten. Akademiebesucher sind mit dem Online-Angebot nicht an Unterrichtszeiten gebunden - sie können lernen, wann sie wollen.
Die Inhalte decken nach Überzeugung von Benedict Hoyer alles ab, was Einsteiger wissen müssen. Nutzer erfahren, auf welcher Plattform sie welche Zielgruppen am besten erreichen. So hat sich Facebook eher zum Medium für ältere Menschen entwickelt, während Instagram bei den jüngeren am beliebtesten ist. Wie oft soll man Präsenz zeigen, in welchem Format, was funktioniert und was nicht? Auf alle diese Fragen versucht das Programm zu antworten.
Übersehen wird nach Hoyers Beobachtung beispielsweise häufig, dass Soziale Medien stärker die Gefühle ansprechen. "Was man postet, muss emotional sein", sagt er. Deshalb sei auch wichtig, Menschen ins Licht zu rücken. Selbst eine Organisation - etwa eine diakonische Bezirksstelle oder ein Missionswerk - könne im Netz nur etwas erreichen, wenn sie menschliche Gesichter zeige.
Oft unterschätzt: die rechtlichen Fragen
Unterschätzt werden von Internet-Akteuren in und außerhalb der Kirche zudem rechtliche Fragen. Dass die Kirche ein eigenes Datenschutzrecht hat, sei den wenigsten bekannt, sagt der Akademie-Entwickler. So könne es schnell zu Briefen von Anwaltskanzleien kommen, wenn einer Seite ein Impressum fehlt, wenn Videos mit urheberrechtlich geschützter Musik unterlegt werden oder wenn ein Foto das Persönlichkeitsrecht von Gezeigten verletzt. Diesen wichtigen Bereich deckt bei der Akademie der Medientheologe Karsten Kopjar aus Erfurt ab. Er ist Social-Media-Experte der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.
Hoyer hat sein Lernprogramm präzise auf kirchliche Bedürfnisse zugeschnitten. Er zeigt lieber einen erfolgreichen Pfarrer mit ein paar tausend Followern als einen Super-Influencer mit Millionen Fans, weil man von dem Pfarrer leichter lernen könne. Seine Positivbeispiele sind etwa der württembergische Theologe und Instagramer Nicolai Opifanti oder die Berliner Pfarrerin Theresa Brückner, die bei YouTube unter "Theresa liebt" firmiert und dort 3.300 Abonnenten hat. Theresa Brückner gehört als Sinnfluencer auch dem Netzwerk yeet an, das im Februar 2020 vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) gelauncht wurde. yeet bringt Menschen zusammen, die mit ihren Videos, Podcasts, Posts und Stories zu einem konstruktiven Dialog in den Sozialen Medien beitragen wollen - und damit Menschen zwischen 14 und 35 Jahren ansprechen.
Auch auf die knappen Kassen bei Kirchen hat der junge Unternehmer geachtet. "Wir stellen lauter Gratis-Tools vor", erläutert er. Der Kurs selbst ist nicht kostenlos, bei einer Gebühr von derzeit 94 Euro allerdings auch nicht kostendeckend. Deshalb ist Hoyer auf die Unterstützung von Sponsoren angewiesen.