Das Arbeitsgericht Karlsruhe hat am vergangenen Freitag die Kirchenleitung der Evangelischen Landeskirche in Baden wegen Diskriminierung einer atheistischen Bewerberin zu einer Entschädigungszahlung von 5.000 Euro verurteilt. Wenn die Frage nach der Konfession bereits ein kaum widerlegbares Diskriminierungsindiz sein solle, wie das erstinstanzliche Gericht meint, habe das Folgen für das kirchliche Arbeitsrecht und alle weltanschaulich geprägten Berufszweige, sagte der Mannheimer Rechtsanwalt Peter John, der den Oberkirchenrat vertritt, am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die konfessionslose Frau hatte sich Anfang 2019 erfolglos auf eine Stelle als Sekretärin der Leitung des Oberkirchenrates beworben und anschließend Klage wegen eines Verstoßes gegen das Antidiskriminierungsgesetz eingereicht. Auf die Frage nach der Konfessionszugehörigkeit hatte sie "konfessionslose Atheistin" angegeben. Beim Vorstellungsgespräch hatte sie diese Angabe damit begründet, dass sie in der DDR aufgewachsen sei, wo die Kirchen keine so große gesellschaftliche Rolle gespielt haben wie in der Bundesrepublik. Zuerst hatten die Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) darüber berichtet.
Ob die Frau den Job wegen fehlender fachlicher Voraussetzungen oder ihrem offenen Bekenntnis zum Atheismus nicht erhalten habe, spiele für das Gericht dabei keine Rolle, sagte der Direktor des Arbeitsgerichtes, Hartmut Maier. Es reiche in diesem Fall vollkommen aus, dass es ein Indiz für einen Verstoß gebe und dieses nicht widerlegt werden könne. Dies sieht Rechtanwalt John anders: Die Frage nach der Konfessionszugehörigkeit sei keineswegs zwingend ein Indiz für eine Diskriminierung.
Außerdem habe es eine Reihe von Indizien gegeben, die darauf hindeuteten, dass es sich in diesem Fall um keine "echte" Bewerbung gehandelt habe, wie auch das Gericht in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe. Beispielsweise sei die Rechtsanwaltsgehilfin immer noch bei der Kanzlei beschäftigt, die die Klage eingereicht habe, obwohl sie sich nach ihrer Behauptung beruflich verändern wollte, so John.
Kein uneingeschränktes Selbstbestimmungsrecht
Laut dem Direktor des Arbeitsgerichtes stellt sich die grundsätzliche Frage, inwieweit die Kirchen aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrechts berufliche Anforderungen, wie beispielsweise die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft verlangen können. Dieses Selbstbestimmungsrecht gelte nicht uneingeschränkt, sondern nur, soweit es zur Erhaltung des Ethos und der Glaubensgrundsätze notwendig sei. "Sicherlich kann die Kirche, wie jeder Arbeitgeber, von seinen Mitarbeitern Loyalität verlangen. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob sich die Loyalität an der Konfessionszugehörigkeit messen lässt", sagte Maier gegenüber dem epd.
Dies gelte sicher bei "verkündigungsnahen Tätigkeiten" für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Glaubensgrundsätze nach außen vertreten und im theologischen Bereich tätig werden. Dies gelte aber nicht oder zumindest nur eingeschränkt bei sogenannten verkündigungsfernen Tätigkeiten ohne inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten, wie beispielsweise bei reinen verwaltungstechnischen oder rein administrativen Tätigkeiten. Nach der neueren Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes müsse die berufliche Anforderung wesentlich und rechtmäßig und erforderlich sein. Dies habe die Kammer bei reinen Sekretariats- und Organisationsarbeiten verneint, sagte der Direktor des Arbeitsgerichtes.
Was bedeutet "Verkündigungsnähe"?
Nach Ansicht von Rechtsanwalt John müsse zudem geklärt werden, was "Verkündigungsnähe" bedeuten solle. Eine Sekretärin der Leitung des Oberkirchenrates sei durchaus eine Schlüsselposition. Generell ständen die neuen Urteile des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichtes in einem Spannungsverhältnis von Europakonformität und unseren Grundrechten, wie der Religionsfreiheit. Wie man mit dem Urteil umgehen werde und ob man Rechtsmittel einlegen werde, könne man erst entscheiden, nachdem die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, kündigte John an. Das schriftliche Urteil (AZ 1 Ca 171/19) wird nach Aussagen des Gerichts in etwa drei Wochen auf der Homepage des Gerichts veröffentlicht werden.