Die rund zehn Ehrenamtlichen sind der Gemeinde verbunden, historisch interessiert, organisieren die regelmäßigen Führungen und sind nicht ganz unfit. Denn wer die Stufen des runden Turms erklimmt, der an der engsten Begehungsstelle sogar mal nur 40 Zentimeter breit ist, kommt ganz schön ins Schnaufen. Und erhält sofort einen Eindruck, wie das Leben eines Türmers so gewesen sein muss - begleitet vom Quietschen des Minutenzeigers der Turmuhr, an das man sich in der Stube erst einmal gewöhnen muss.
Auch wenn die Aufgaben des Türmers durchaus wichtig waren, von hohem Ansehen war sein Beruf nicht. Ebenso wie Schäfer, Bader, Büttel oder Totengräber waren Türmer keinem Stand oder keiner Zunft zugeordnet. Johann Kurz war der letzte und beendete eine rund 400-jährige Tradition in Schwabach im Jahr 1911. Kurz war beileibe kein Eremit, der zurückgezogen in der engen Türmerwohnung lebte: Mit seiner Frau und fünf Kindern wohnte er hier auf wenigen Quadratmetern, Küche, Bett und Wohnzimmer auf einer Ebene. Über eine Leiter ging es zur Schlafkammer der Kinder und zum Abtritt.
Die Inventarliste des letzten Schwabacher Türmers, die Archivar und Turmführer Michael Kummer gefunden hat, beschreibt auch zwei Abortfässer, womit die gerne gestellte "Toilettenfrage" geklärt ist. "Seine Hinterlassenschaften einfach herunter auf die Straße zu kippen, war strengstens verboten", erklärt Kummer. Alles musste die 169 Stufen hinauf- und herabgetragen werden. Der Vorgänger von Johann Kurz hatte sogar ein kleines Klavier in die Türmerstube geschafft und gab hier Musikunterricht.
Wer in der Liste von Feuerlaterne, Blechsprachrohr und Landesfarbenfahne liest, weiß auch schnell, was ein Türmer zu tun hatte: Er musste vor Feuer oder feindlichen Angriffen warnen, Trompetensignale blasen und die Uhrzeit schlagen, als dies noch kein programmiertes Uhrwerk verrichtete, wie es seit 1959 der Fall ist. Fiel ihm ein Brand auf, wurde die rote Fahne in die Himmelsrichtung ausgefahren, von wo der Rauch kam, bei Nacht wurde die rote Laterne entzündet.
Der Türmer war immer ein städtischer Angestellter, was über Jahrhunderte zu einem Hickhack um seine Aufgabenbeschreibung ebenso wie um die Frage der Baulast des Turms und seiner Einrichtung führte, wie zahlreiche Protokolle dokumentieren. Michael Kummer hat viele solcher Geschichten aufgeschrieben, das Schwabacher Türmer-Team erzählt die Anekdoten und Wissenswertes bei den Führungen. Das reicht von spektakulären Berichten über verheerende Brände bis hin zum denkwürdigen Auftritt des Seiltänzers Alexander Knie, der im Jahr 1834 vom Kirchturm aus ein Seil zum Haus Nummer 111 spannte und ohne Netz und doppelten Boden balancierte.