Dresden (epd). Der langjährige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sieht in den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen keine grundsätzliche Gefahr für die Demokratie. Es gebe keinen "Anlass für Katastrophen- oder gar Endzeitstimmung", schrieb der SPD-Politiker in einem Gastbeitrag für die "Sächsische Zeitung" (Mittwoch). "Unsere Demokratie ist nicht in Gefahr, aber ist gibt Gefährdungen für sie", erklärte er.
"Streit, Unzufriedenheit, Kritik an politischen Entscheidungen, kontroverse und irritierende Meinungen, die Fülle von Demonstrationen - all das ist nicht gefährlich für unsere Demokratie", schrieb der 76-Jährige. Gefährlich werde es erst, "wenn sich die kritischen Attacken gegen unser demokratisches System selbst richten - ob gespeist aus Verschwörungsmythen oder aus rechtsextremer Gesinnung".
Die Demonstrantinnen und Demonstranten seien selbst "verantwortlich für die Gesellschaft, in die sie sich begeben", betonte Thierse. Entschuldigende Rechtfertigungen, warum jemand an der Seite von offensichtlichen Demokratiefeinden protestiere, "sollten wir nicht akzeptieren", appellierte er.
Insgesamt sei die Zufriedenheit mit der Demokratie groß in Deutschland, sei zuletzt sogar gewachsen, erklärte Thierse weiter. Dass die Exekutive in Krisenzeiten dominiere, sei unvermeidlich. Jedoch stimme "eine sehr große Mehrheit" der Pandemiepolitik der Regierung zu. Allerdings sei die Politik in den ersten Monaten womöglich ihrer in der Krise besonders großen kommunikativen Verantwortung "noch nicht genug nachgekommen".