Köln, Solingen (epd). Der Arzt und Flüchtlingshelfer Christoph Zenses hat die Zustände im Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos als katastrophal bezeichnet. "Hier hinzuvegetieren, das kann man sich nicht vorstellen", sagte der Internist aus Solingen am Dienstag im WDR-"Morgenecho". Er sei sprachlos, wütend und frustriert, dass in Moria keine Hilfe ankomme, sagte Zenses, der aktuell in dem Camp arbeitet, mit Blick auf die Politik der griechischen Regierung und der EU. "Wo versandet das Geld? Warum kommt die Hilfe nur zu Frontex und nicht in dieses Camps? Warum werden diese Menschen nicht endlich erlöst?"
Die Menschen in Moria kämen meist mit Schmerzen zu ihm, die er dann erst mal ergründen müsse, sagte der Arzt und Gründer des Vereins "Solingen hilft". Oft gebe es posttraumatische Belastungsstörungen, auch Vergewaltigungen kämen häufig vor. Die Menschen litten unter Problemen beim Wasserlassen, weil sie sich nachts nicht im Stockdunklen auf die Toilette trauten. Oft trete auch Krätze auf, weil die Menschen sehr nah beieinander lebten und schliefen, und es kaum Waschmöglichkeiten gebe. Zusammenarbeit mit Ärzten und dem Krankenhaus auf Lesbos gebe es nicht. Die Versorgung der Menschen finde allein in dem kleinen Container-Hospital im Camp statt.
Entgegen aller Voraussagen sei das Camp noch mal größer geworden, sagte der Arzt. In seinem Team werde davon ausgegangen, dass nicht 16.000 Menschen, sondern 23.000 aktuell in Moria lebten. Für die Bewohner gelte seit März und noch mindestens bis zum 19. Juli ein Corona-Lockdown. Die geflüchteten Menschen seien regelrecht eingesperrt und dürften nur vereinzelt das Gelände verlassen. Währenddessen laufe das Leben in der Hauptstadt der Insel wieder normal und etwa ohne Masken in den Restaurants und Geschäften. "Das ist ein krasser Gegensatz", sagte Zenses.