TV-Tipp: "Dennstein & Schwarz: Rufmord" (ARD)

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TV-Tipp: "Dennstein & Schwarz: Rufmord" (ARD)
3.7., ARD, 20.15 Uhr
Die Entwicklung der Juristinnen-Reihe "Dennstein & Schwarz" ist eine echte Emanzipationsgeschichte: Je konsequenter sich Titelfigur Dennstein von ihrer Familie entfernt hat, umso besser wurden die Filme.

Der Auftakt im Frühjahr 2018 war eine zuweilen fast ärgerliche Ansammlung von überzogenen und zudem übertrieben verkörperten Klischeefiguren. Der in der letzten Woche ausgestrahlte zweite Film ("Schuldenfalle") kombinierte die Fortsetzung dieser Ebene mit einem in sich abgeschlossenen Fall für die beiden Anwältinnen Paula Dennstein (Maria Eppel) und Therese Schwarz (Martina Ebm): Paula reichte die Scheidung ein. Das Eheende ließ zwar Raum für eine zukünftige Wiedervereinigung, aber in Teil drei ("Rufmord") spielt die Mischpoke glücklicherweise keine Rolle. Familie wirkt trotzdem mit, diesmal jedoch in Gestalt von Thereses 17jähriger Schwester Marita (Resi Reiner), die sich bei einer Party am See von der Polizei mit einem Joint erwischen lässt. Weil ihr ein Dealer außerdem ein Tütchen Drogen untergejubelt hat, droht ihr nun eine Anzeige.

Die eigentliche Herausforderung für die Kanzlei Dennstein & Schwarz ist jedoch von ganz anderem Kaliber, steht aber ebenfalls für die Emanzipation der Reihe von ihrem eher anspruchslosen Auftakt. Neben dem auch im Detail sorgfältigen und immer wieder mit Überraschungen aufwartenden Drehbuch sowie den beiden Hauptdarstellerinnen ist der größte Pluspunkt des Films die Besetzung des Gastdarstellers: Manuel Rubey spielt einen Politiker, der gute Aussichten hat, der kommende Landeshauptmann der Steiermark zu werden. Mitten im Wahlkampf erscheint ein Artikel, der Konrad Wagners sicher geglaubten Sieg erheblich gefährdet: Die führende Regionalzeitung wirft ihm vor, ein "Grapscher" zu sein. Wagner ist ein alter Freund von Paula, die ihre Kollegin bittet, sich des Falls anzunehmen. Paula zweifelt keinen Moment daran, dass die Vorwürfe aus der Luft gegriffen sind. Das vermeintliche Opfer des Politikers, eine frühere Mitarbeiterin, schweigt jedoch, was Therese verdächtig erscheint. Je mehr sie über Wagner erfährt, desto stärker bröckelt die Fassade dieses Mannes, selbst wenn sein Wahlkampfkonzept ebenso sympathisch ist wie er selbst.

Jede Geschichte dieser Art weist mittlerweile fast schon naturgemäß Parallelen zum Fall Weinstein auf, der wiederum die #MeeToo-Kampagne auslöste. Dank Rubeys differenziertem Spiel und dem klugen Drehbuch von Konstanze Breitebner (sie hat auch die Vorlagen für die beiden anderen Filme geschrieben) liegt der Reiz der Handlung in der Balance zwischen Verdacht und Vorverurteilung: Generell gilt zwar die Unschuldsvermutung, aber bei Vorwürfen der sexuellen Belästigung ist dieses Prinzip zumindest in der Öffentlichkeit anscheinend außer Kraft gesetzt; kein Wunder, dass sich Wagner als Opfer einer Hexenjagd sieht. Dennoch geht Therese zumindest innerlich zunehmend auf Distanz, weshalb sie schließlich eine folgenschwere Entscheidung treffen muss.

Geschickt verteilt Breitebner die verschiedenen Perspektiven der Geschichte auf mehrere Figuren. Während Wagners Gattin (Nele Kieper) scheinbar unerschütterlich an der Seite ihres Mannes steht, macht das Opfer (Claudia Kottal) einen wenig sympathischen und daher prompt unglaubwürdigen Eindruck. Inmitten dieser und diverser anderer Frauen bewegt sich Wagner wie ein Fixstern. Rubey versieht den Mann zudem mit dem entsprechenden Charisma: Der Politiker ist ein Medienprofi, der Niederlagen als Siege verkauft. Der Österreicher hat eine vergleichbare Rolle als Hauptdarsteller eines ausgezeichneten "Tatorts" aus Stuttgart gespielt: In "Der Mann, der lügt" (2018) verkörperte er einen scheinbar unbescholtenen Bürger, der immer tiefer in einem Sumpf aus Lügen versinkt. Während der Krimi die Schuld der Hauptfigur schon im Titel vorwegnahm, bleibt in "Rufmord" lange offen, wie es wirklich um die Moral des Politikers bestellt ist.

Natürlich geht es freitags im "Ersten" immer auch um Gefühle. Thereses Liebe aus dem letzten Film ist zwar erloschen, weil der Kollege verheiratet war, aber dafür erwischt es Marita, die sich in Paulas Sohn Ferdi (Enzo Gaier) verguckt; die Nebenebene ist sehr ansprechend eingefädelt. Anders als in "Schuldenfalle" verzichten Michael Rowitz (Regie) und Andrés Marder (Bildgestaltung) diesmal auf Szenen mit entfesselter Kamera. Die leicht angekitschten Landschaftsaufnahmen sind jedoch nach wie vor sehr schön anzuschauen, und die gute Musik von Helmut Zerlett macht den Film endgültig rundum sehenswert.