Osnabrück, Berlin (epd). Der Deutsche Hospiz- und Palliativverband (DHPV) hat die Forderung eines Sterbehilfevereins zurückgewiesen, Alten- und Pflegeheime sollten in ihren Hausordnungen auf das Grundrecht auf Suizid und Suizidbeihilfe hinweisen. Suizidbeihilfe dürfe "niemals zu einer gängigen Behandlungsmethode für Heimbewohner werden", sagte der Vorsitzende Winfried Hardinghaus am Montag in Berlin.
Der Druck, dem sich ältere Menschen durch die Möglichkeiten der Suizidbeihilfe ausgesetzt fühlten, drohe sich durch eine solche Praxis zu verstärken. "Dabei brauchen gerade ältere, auf Hilfe und Unterstützung angewiesene Menschen die Gewissheit, von der Gesellschaft solidarisch getragen zu werden", betonte der Osnabrücker Palliativmediziner. Er appellierte an die Betreiber von Pflegeeinrichtungen, der Forderung nicht Folge zu leisten.
Der "Verein Sterbehilfe" des ehemaligen Hamburger Justizsenator Roger Kusch hatte in der vergangenen Woche gemeldet, dass er erstmals einem Bewohner eines deutschen Altenheims zum Suizid verholfen habe. Zugleich hatte der Verein verlangt, "alle Alten- und Pflegeheime in Deutschland" sollten ihre Hausordnung entsprechend ergänzen. Allen Bewohnerinnen und Bewohnern solle die gültige Rechtssprechung verdeutlicht werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte Ende Februar das seit 2015 geltende Verbot organisierter Hilfe beim Suizid gekippt und das Recht auf selbstbestimmtes Sterben betont.
Hardinghaus betonte, der Fall mache deutlich, "wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und das schwebende neue Gesetzesverfahren von Sterbehilfevereinen genutzt werden, um ein regelhaftes Angebot nach ihrem Zuschnitt zu fordern". Die Forderung des Vereins verstoße gegen das Selbstverständnis der meisten Pflegeeinrichtungen. Sie seien darauf ausgerichtet, "die ihnen anvertrauten Bewohnerinnen und Bewohner bis zum Lebensende würdig zu betreuen, das heißt ihnen im Sterben beizustehen - nicht beim Sterben zu helfen". Das Bundesverfassungsgericht habe auch klargestellt, dass niemand verpflichtet werden könne, Suizidbeihilfe zu leisten: "Das gilt natürlich auch für die Betreiber von Alten- und Pflegeeinrichtungen."
Kooperationen mit Sterbehilfevereinen gehen laut Hardinghaus in eine falsche Richtung. Notwendig sei vielmehr eine zuverlässige medizinisch-pflegerische Versorgung in allen Pflegeeinrichtungen, "das heißt genügend Personal und gegebenenfalls entsprechende Zusammenarbeit mit Hospizdiensten und Palliativteams", sagte er.
Caritaspräsident Peter Neher forderte unterdessen eine intensive gesellschaftliche Debatte um den Wert des Lebens. Er halte Entscheidung des Gerichts für problematisch, "weil sie das Selbstbestimmungsrecht letztlich als einziges Kriterium über Tod und Leben nennt", sagte Neher der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag). Fraglos handele es sich beim Selbstbestimmungsrecht "um ein hohes Gut", erläuterte der Präsident des Deutschen Caritasverbandes. "Das setzt aber voraus, dass jeder Suizidwunsch aus einer selbstbestimmten Haltung heraus geäußert wird", sagte er. "Und ob das immer der Fall ist, hinterfrage ich mindestens kritisch."