Berlin (epd). Der Sozialethiker Peter Dabrock hat die Empfehlungen der Leopoldina zur möglichen Lockerung der Corona-Einschränkungen im Bildungsbereich kritisiert und eine stärkere Beachtung von Kinderrechten in der Debatte gefordert. Er habe den Eindruck, es gehe derzeit allein um Hindernisse bei notwendiger Wissensvermittlung, sagte Dabrock, der bis Karfreitag Vorsitzender des Deutschen Ethikrats war, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Doch dieser Ansatz greife zu kurz. Kinder dürften nicht nur als Objekte betrachtet werden, sondern ihre Grundrechte müssten gegen Einschränkungen abgewogen werden, sagte der Theologe.
"Kinder benötigen für ihre Persönlichkeitsentwicklung nicht nur Eltern, so viel Mühe die sich auch geben", sagte Dabrock. Spielkameraden seien mindestens genauso wichtig. Ein Großteil emotionaler und sozialer Grundbedürfnisse der Kinder entfalte sich allein in der Begegnung mit anderen Kindern, in Freundschaften sowie in Grenzerfahrungen mit Gleichaltrigen.
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hatte am Montag ihre Stellungnahme zu möglichen Lockerungen der derzeitigen Beschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus veröffentlicht. Die Experten raten zu einer möglichst baldigen Öffnung der Schulen für jüngere Schüler, insbesondere für diejenigen im Übergang zu weiterführenden Schulen. Bei den Kitas rät die Stellungnahme zu einer weiteren weitestgehenden Schließung bis zum Sommer mit der Begründung, dass kleine Kinder sich schlechter an Abstandsregeln oder das Tragen einer Schutzmaske halten könnten.
Dabrock forderte, darüber nachzudenken, wie Kinder als mögliche Virus-Überträger aber Nicht-Risikogruppe stärker von der Risikogruppe getrennt werden könnten. So könnten sich Risikogruppen zur Isolation bereiterklären, "bevor alle jüngeren Kinder de facto weggesperrt werden müssen". Der Gedanke eigener Ladenöffnungszeiten für Risikogruppen sollte beispielsweise nochmals überprüft werden, sagte der Erlanger Professor.
Die Amtszeit des Deutschen Ethikrats, der in der Debatte vor gut zwei Wochen eine eigene Stellungnahme vorgelegt hatte, endete am 10. April. Wegen der eingeschränkten Plenarsitzung hatte der Bundestag Ende März den neuen Ethikrat nicht wie geplant berufen. Das soll voraussichtlich in der nächsten Sitzungswoche des Parlaments nachgeholt werden. Dabrock scheidet nach den maximal möglichen zwei Amtsperioden aus dem Gremium aus.