Die Kirchensprache sei "in großen Teilen eine Binnensprache, die innerhalb der Kirche zwar verstanden wird, viele andere Menschen aber abschreckt", sagte Gessler dem epd. Am 3. März erscheint im Claudius-Verlag das Buch "Phrase Unser - Die blutleere Sprache der Kirche" von den Autoren Gessler und Jan Feddersen.
Kirchliche Sprache habe die Neigung, gerne mit Fremdwörtern oder emotional aufgeladenen Wörtern zu hantieren, sagte Gessler. "Sie ist oft soziologisch, sozialpädagogisch angehaucht." Es sei eine "weiche, ungenaue, wolkige Sprache, die Macht und Hierarchien gerne vertuscht". Es sei kein Zufall, dass man in der Kirche immer wieder betont, "authentisch" sein zu wollen. Gessler: "Das würde man nicht so oft sagen, wenn man es wirklich wäre."
Gessler räumte ein, selbst keine Patentlösungen parat zu haben. Dennoch hoffe er auf einen neuen Aufbruch. Er riet den Kirchen, mehr auf die Worte der Bibel zu vertrauen, etwa auf die Psalmen oder die starke Sprache des Propheten Jesaja. Auch in der Poesie stecke sehr viel Kraft. Die poetische und die religiöse Sprache seien sich ähnlich und könnten sich gegenseitig befruchten, denn sie versuchten beide, das Unsagbare zu benennen. Die Kirchen müssten keine neue Sprache erfinden oder dem neuesten Sprachslang hinterherhetzen, etwa der Jugendsprache.
Wenn Leute etwa bei Verkündungssendungen sofort abschalten, sei das ein Problem, fügte Gessler hinzu. Die Aufgabe der Kirche sei ja, Gutes zu tun und "das Evangelium durch die Zeiten zu tragen". Doch Kirchenvertreter kommen sprachlich immer wieder an ihre Grenzen. Sie können diesen Auftrag oft nicht wirklich erfüllen, weil sie nicht mehr die Sprache der Menschen sprechen.
"Sprache der Konfliktvermeidung"
Während die Kirche in den 80er Jahren von einer Soziologen- und Politologensprache geprägt wurde und in 90ern die Managementsprache in Mode war, habe man "im Augenblick die Achtsamkeitssprache", so Gessler weiter. Diese sei sehr vorsichtig, weil man "niemanden auf die Füße treten will und alles 'auf Augenhöhe' passieren muss". Die Kirche wolle Menschen zudem "dort abholen, wo sie sind", wie es in der Kirchensprache oft heiße. Doch ihre eher akademische, bürgerliche Sprechweise habe mit dem normalen Leben der meisten Menschen nicht mehr viel zu tun.
Vieles in der kirchlichen Sprache habe zudem einen "doppelten Boden", sagte Gessler weiter: Wer sagt, "ich kann das gut hören", meint eher: "Ich finde das ärgerlich, aber ich ertrage das jetzt." Dies sei eine Sprache der Konfliktvermeidung, der Angst, der Hierarchievertuschung und der Vorsicht. Das habe auch damit zu tun, dass es den beiden großen Volkskirchen schlecht geht, da sie viele Mitglieder verlieren. In dieser Situation der Angst sei es schwer, die richtige Sprache zu finden. Dann rede man manchen Leuten auch gerne nach dem Mund.
Man dürfe die Menschen aber nicht unterfordern, warnte Gessler. Eine ansprechende, zeitgemäße Sprache, "wenn sie denn vom Herzen kommt, kann mehr erreichen als eine pseudo-moderne Sprache". Auch einfache Zeichen oder das Schweigen könnten eine Lösung sein, anstatt immer verzweifelt nach neuen Worten oder anderen Umschreibungen zu suchen. "Wer der Form nicht vertraut, macht zu viele Worte, die er selber nicht mehr glaubt", so Gessler.