Münster, Karlsruhe (epd). Die Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert hat sich vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe für eine Lockerung des Verbots ausgesprochen. Unheilbar kranken Patienten, die eine wohlüberlegte Entscheidung am Lebensende träfen, bliebe derzeit nur "die beschwerliche und teure Suizidreise in die Schweiz oder ein einsamer Brutalsuizid", sagte die Medizinethikerin der Westfälischen Wilhelms-Universität am Montag in Münster. Den ethisch angemessenen Weg, zu Hause den Zugang zu einem tödlichen Medikament und ärztlichen Beistand zu erhalten, habe der Gesetzgeber mit dem strittigen Gesetz weitgehend versperrt.
Die Entscheidungsträger des Verbotes hätten sich offenbar von einer religiös beeinflusste Vorstellungen leiten lassen, "dass ein Suizid immer unerlaubt in Gottes oder der Natur Handwerk pfuscht", kritisierte Schöne-Seifert. "Diese Sicht kann eine aufgeklärt-säkulare Ethik nicht teilen." Auch die Mehrheit der Bevölkerung teile diese Umfragen zufolge nicht.
Mit dem Verbot auf gewerbsmäßige Suizidhilfe werde auch die Hilfe durch Ärzte mitkriminalisiert, sobald diese über einen Einzelfall hinausgehe, kritisierte Schöne-Seifert. "Fakt ist, dass Hunderte Betroffene keinen Helfer und auch keinen Zugang zu einem tödlichen Medikament finden", sagte die Ethikerin. Dabei sei mindestens ein Drittel der Ärzteschaft zu dieser Hilfe grundsätzlich bereit.
Grund für ein selbstbestimmtes Ende sei bei einigen Menschen, dass Patienten durch fortschreitende Hightech-Medizin in körperlich oder geistig stark eingeschränkter Verfassung lange am Leben erhalten werden könnten. Aber auch jenseits von unheilbarer Krankheit könne die zunehmende Hochbetagtheit und die Angst vor kommendem Siechtum Menschen dazu bringen, sich ein Lebensende von eigener Hand zu wünschen.
Zugleich sei bei Entscheidungen über das eigenen Leben oder Sterben eine Art Schutzwall nötig, unterstrich die Ethikerin. "Beratung, Bedenkzeiten, Doppelbegutachtungen und andere Absicherungen liegen grundsätzlich im Interesse aller", sagte Schöne-Seifert.
Das Bundesverfassungsgericht will am Mittwoch über die Verfassungsmäßigkeit des Paragrafen 217 des Strafgesetzbuches entscheiden, der seit Dezember 2015 die "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" unter Strafe stellt.