Münster, Rom (epd). Der katholische Kirchenrechtler Thomas Schüller bewertet das Papst-Schreiben zur Amazonassynode in Hinblick auf Reformen als "außerordentlich enttäuschend". Damit setze Papst Franziskus kein Reformvorhaben um, "sondern bleibt beim Status Quo", sagte Schüller dem Onlineportal "Kirche+Leben". Zu den Themenbereichen priesterliche Existenz, Macht und Frauen wiederhole das Schreiben überkommene Antworten, sagte Schüller, der an der Universität Münster lehrt. Das werfe auch den deutschen Reformprozess des Synodalen Weges weit zurück.
Die Frauen in der katholischen Kirche, vor allem die von der Reformbewegung "Maria 2.0", hätten Recht behalten, sagte der Kirchenrechtler weiter: "Die Kirche ist in diesen Fragen augenscheinlich nicht reformfähig, nicht reformwillig." Das werde eine große Enttäuschung auslösen. Der Papst begründe die Verwehrung von klerikalen Positionen für Frauen ähnlich wie seine Vorgänger damit, dass das Wesen der Frau empfangend und dienend sei. Den Platz, den nun also auch Franziskus den Frauen zuweise, sei die Glaubensweitergabe. "Nach meiner Einschätzung ist mit diesem Schreiben aber auch die Diakoninnen-Frage entschieden, weil Franziskus generell die Weihe als wesensfremd für die Frau erklärt", sagte Schüller.
Auch den Vorschlag, verheiratete Männer zu Priestern zu weihen, habe der Papst bedauerlicherweise nicht thematisiert, kritisierte der Kirchenrechtler. Stattdessen greife er auf ein Instrument zurück, das immer wieder und erfolglos thematisiert werde: Es müsse nur für mehr Priesterberufungen gebetet werden. Franziskus betone zwar, dass Priester wichtig etwa für die Feier der Eucharistie und die Sündenvergebung seien. "Aber er geht keinen Reformschritt nach vorn, und das ist äußerst enttäuschend."
Schüller würdigte zugleich Visionen des Papstes, in denen es um die sozialökologische Krise und deren Überwindung in Amazonien gehe. Da entwickele Papst Franziskus sehr erfreuliche Perspektiven. In dem am Mittwoch veröffentlichten Schreiben zur Amazonas-Synode beklagt Papst Franziskus eine "ökologische Katastrophe" im Amazonasgebiet mit weltweiten Auswirkungen. Zugleich verurteilte er die systematische Unterdrückung von indigenen Völkern und die Zerstörung ihres Lebensraums mit verbrecherischen Methoden. Die Forderung nach der Weihe verheirateter Männer zu katholischen Priestern nahm er jedoch nicht auf. Die Bischofsversammlung hatte dies im vergangenen Oktober in ihrem Abschlussdokument verlangt.