In Deutschland kümmern sich Forschungen von Metzing zufolge rund sechs Prozent der 10- bis 19-Jährigen um pflegebedürftige Angehörige, meist um ihre Eltern oder Großeltern. "Fast jeder kennt eine Familie, in der es ein pflegendes Kind oder Jugendlichen gibt", sagte die Wissenschaftlerin, die seit 15 Jahren zu dem Thema forscht. Die Minderjährigen putzen, kochen, schieben den Rollstuhl, geben Medikamente oder helfen den Angehörigen auf die Toilette.
Nur selten suchten sie selbst nach Hilfe, erklärte Metzing. Aus Scham oder Angst vor einem Eingreifen des Jugendamts hielten sie ihre Familiensituation geheim. Auch nehme ein Großteil der Kinder und Jugendlichen die Pflege als selbstverständlich wahr. "Die Kinder sagen nicht, dass sie pflegen, sondern dass sie sich nur kümmern", sagte die Professorin.
Ihre Überforderung bemerkten sie oft erst, wenn sie als junge Erwachsene auf ihre Kindheit zurückblicken. "Je jünger das Kind ist, desto geringer ist sein Belastungsempfinden ausgeprägt", sagte Metzing. Trotzdem litten die Minderjährigen teils unter Schlafstörungen, seien stark um den kranken Angehörigen besorgt und im schlimmsten Fall sozial von Gleichaltrigen isoliert, weil sie keine Zeit hätten, Freunde zu treffen. "Minderjährige, die sehr stark in pflegerische Hilfen eingebunden sind, laufen Gefahr, ihre Kindheit zu verlieren, wenn die Familien ohne Unterstützung bleiben", mahnte Metzing.
Um die Kinder zu entlasten, sei es wichtig, Ärzte, Lehrer, Schulsozialarbeiter und "jeden, der beruflich in Kontakt mit Kindern oder Pflegebedürftigen kommt", für die Situation der pflegenden Kinder zu sensibilisieren. Ärzte sollten in Gesprächen fragen, ob es im Haushalt Kinder gebe und ob Hilfsbedarf in der Versorgung der pflegebedürftigen oder kranken Person bestehe. Lehrer sollten darauf achten, ob Kinder plötzlich häufiger im Schulunterricht fehlten und müde oder unkonzentriert seien.