Flüchtlinge in Griechenland: Regierung gegen Aufnahme im Alleingang

Flüchtlinge in Griechenland: Regierung gegen Aufnahme im Alleingang
Die Lage der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln ist auch nach den Worten der Bundesregierung "prekär" und "nicht tragbar". Eine Initiative zur Aufnahme Minderjähriger von dort in Deutschland lehnt Bundesinnenminister Seehofer dennoch ab.

Berlin (epd). Die Bundesregierung hat Forderungen nach einer Aufnahme von Minderjährigen aus den überfüllten griechischen Flüchtlingslagern abgelehnt. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte am Montag in Berlin, man suche nach einer europäischen Lösung. Zuvor hatten Vertreter des Bundesinnenministeriums einen nationalen Alleingang abgelehnt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nannte die Forderung von Grünen-Chef Robert Habeck nach einer Aufnahme "unredliche Politik".

Habeck hatte am Wochenende den Ruf seiner Partei nach einer humanitären Geste wiederholt. Seehofer sagte der "Süddeutschen Zeitung" (online), er warne seit Monaten vor einer neuen "Flüchtlingswelle", sei aber von vielen nicht ernst genommen worden. Habeck komme "zu diesem durchschaubaren Zeitpunkt mit diesem nicht hilfreichen Vorschlag", sagte Seehofer.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums hatte zuvor eingeräumt, die Lage der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln sei "prekär" und "nicht tragbar". Es bestehe aber nicht unmittelbar Lebensgefahr. Das unterscheide die Situation vom Aspekt der Seenotrettung. Bei in Italien ankommenden Flüchtlingsschiffen hatte es in der Vergangenheit regelmäßig zeitnah auf Ebene der EU-Kommission eine Verständigung darüber gegeben, welches Land die Flüchtlinge aufnimmt. Solche Gespräche gibt es nach Worten des Ministeriumssprechers angesichts der Lage auf den griechischen Inseln derzeit nicht.

Seehofer sagte, die Situation der aus Seenot Geretteten und der Flüchtlinge in Italien sei auch aufgrund der Zahlen nicht vergleichbar. Bei der Verteilung nach Seenotrettung gehe es um wenige hundert Menschen pro Jahr. An der Südostgrenze der EU gehe es um "Tausende, womöglich Hunderttausende", sagte Seehofer. Ein Alleingang Deutschlands könne zu einem "Sogeffekt" führen.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR leben in Lagern auf den Inseln Lesbos, Samos und Kos mehr als 4.400 unbegleitete Kinder, "von denen nur jedes vierte altersgerecht untergebracht ist". Nach Habecks Angaben haben sich Berlin und Thüringen bereiterklärt, Minderjährige aufzunehmen. Wenn Kinder in Not sind, dürfe man nicht wegsehen, erklärte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bei Twitter.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten", auch sein Land wäre dazu bereit. Es sei allerdings Angelegenheit der Bundesregierung, ein Sonderkontingent der Länder zu bestimmen. Die Bundesländer können nicht allein Aufnahmezusagen geben, wie der Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag betonte. Er verwies zudem darauf, dass die Bundesregierung Griechenland mit Hilfslieferungen unterstützt habe.

Vertreter der evangelischen Kirche schlossen sich der Forderung der Grünen an. Es sei "Zeit, humanitäre Zeichen zu setzen", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, im Bayerischen Rundfunk. Die unbegleiteten Kinder brauchten jetzt Hilfe, erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: "Gerade an Weihnachten wäre dies ein Zeichen der Hoffnung und ein Ausdruck elementarer europäischer und christlicher Werte."

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, sagte der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag), die Situation sei nicht nur in den Lagern Griechenlands katastrophal. Die "europäische Gleichgültigkeit in der Flüchtlingsfrage" könne insgesamt nicht so bleiben.