Die evangelische Pfarrerin Hirschberg nennt als wichtigsten Grund für die Einschränkung der Religionsausübung an Hochschulen die Angst vor religiösem Fundamentalismus. Eine entsprechende Einstufung trauten sich Hochschulleitungen allerdings meist nicht zu. "Daher schränken sie die Religionsausübung unter Berufung auf die religiöse Neutralität für alle Gruppen ein. Wir hören dann oft hinter vorgehaltener Hand: 'Mit euch gerne, aber mit anderen nicht und deshalb mit niemandem.'"
Negativer Begriff von Glaubensfreiheit
Hinzu komme, dass Hochschulen nicht-religiöse Studierende vor öffentlicher Religionsausübung schützen wollten, weiß Hirschberg: "In dieser Logik gelten Gottesdienste als Störung." Einschränkungen für religiöse Gruppen gebe es etwa an großen technischen Hochschulen ohne theologische Fakultät, zum Beispiel der RWTH Aachen. Hinter dieser Haltung steht laut Hirschberg auch ein negativer Begriff von Glaubensfreiheit: "Religionsfreiheit wird von Hochschulen oft als Freiheit von Religion und nicht als Freiheit für Religion gedeutet. Wir halten diese Interpretation für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar."
Während die Religionsausübung mitunter nicht erwünscht sei, würden Hochschulgemeinden hingegen als Kooperationspartner überwiegend geschätzt - beispielsweise bei der Integration internationaler Studierender. Hirschberg sieht hier eine Chance für die Hochschulgemeinden, Bedenken gegenüber Religion zu zerstreuen. "Wo langjährige persönliche Kontakte bestehen, beispielsweise an Universitäten mit theologischer Fakultät oder an kleineren Universitäten oder Hochschulen ist das Verhältnis von Hochschulleitungen und -gemeinden oft unkompliziert."
Auch katholische Hochschulseelsorger beobachten, dass Hochschulgemeinden einen zunehmend schweren Stand an deutschen Universitäten haben. Rektoren oder Dekane müssten "in ihrer Leitungsfunktion dem säkularen Ansatz ihrer Hochschule folgen", heißt es in einem Beitrag des Leiters der Katholischen Hochschulgemeinde in Aachen, Matthias Fritz, in der "Herder Korrespondenz" (Oktober). Beispiel dafür seien die Erstsemestertage. An diesem Termin werde "das deutliche Auftreten hauptamtlicher Vertreter der Hochschulgemeinde nicht mehr akzeptiert". Fritz: "Dies gibt mir das Gefühl, an hochschulrelevanten Terminen nur noch gewissermaßen undercover teilnehmen zu dürfen."