Hannover (epd). Zehn Jahre nach dem Suizid des Fußballtorwarts Robert Enke fordert dessen früherer Psychiater Valentin Markser einen Sportpsychiater für jeden Bundesligaklub. "Wenn man die seelische Gesundheit der Sportler ernst nehmen will, müsste jeder Profiklub neben einem Sportpsychologen oder Mentaltrainer auch verpflichtend einen ausgebildeten Sportpsychiater fest in seinen Reihen haben", sagte Markser dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Samstag). "Wer den nicht hat, darf nicht mitspielen. Auf diese Weise käme sehr schnell Bewegung in dieses wichtige Thema."
Der Fußball-Nationaltorhüter Robert Enke von Hannover 96 hatte sich im November 2009 das Leben genommen. Er litt unter einer Depression. Seitdem hat sich nach Marksers Worten beim Umgang mit Depressionen im Sport kaum etwas geändert. "Es scheint so, als ob es eine unheilvolle Allianz im Leistungssport gibt, die den dringend nötigen Aufbruch zur besseren Behandlung von seelischen Krankheiten verhindert", sagte Markser.
Dies habe mehrere Gründe: "Da sind erstens die Vereine, die um das Image des Produkts fürchten. Zweitens, Sportler und Trainer, die sich im modernen Sport nahezu ständig im Wettkampfmodus befinden. Sie wollen nicht über Schwächen reden, obwohl die auch zum Leistungssport gehören." Drittens gebe es die Zuschauer und Fans, die eine Sehnsucht nach Idolen und ein großes Bedürfnis nach Identifikation hätten. "Niemand will einen Versager", betonte Markser. Allen gemeinsam sei, dass sie von der seelischen Gesundheit im Sport wenig wissen wollten.
Spitzensportlern rät Markser davon ab, sich bei Depressionen oder anderen psychischen Krankheiten zu outen. "Die Gesellschaft kann damit derzeit leider noch nicht umgehen. Die Widerstände sind noch zu groß", sagte er. Leider hätten insbesondere die Fans nicht dazugelernt. "Viele reiten weiterhin gerne darauf herum, dass die hoch bezahlten Sportler genug 'Schmerzensgeld' bekämen. Als ob das Leid einer Krankheit mit Geld verrechnet werden kann. Das ist zynisch!"