Ihm sei im Gegenteil klargeworden, wie privilegiert er nach wie vor sei, sagte Middelhoff der "Rheinischen Post" (Donnerstag). Er habe fünf gesunde Kinder. "Ich bin Gott unglaublich dankbar, er hat mir eine zweite Chance gegeben." In den ersten Tagen im Gefängnis habe er sich in die Kapelle gesetzt: "Ich war am Tiefpunkt meines Lebens", sagte Middelhoff. "Ich habe in der Bibel gelesen, den Rosenkranz gebetet und langsam angefangen, darauf zu vertrauen, dass Gott mich hält, egal was passiert."
Zu einer neuen Lebensperspektive habe ihm auch der Umgang mit behinderten Menschen geholfen. In der Zeit als Freigänger in der Behindertenwerkstatt Bethel habe er als vormals stark narzisstischer Mensch Demut gelernt, sagte der wegen Untreue und Steuerhinterziehung verurteilte frühere Arcandor-Chef. "Es hat mich glücklich gemacht, etwas Gutes und Sinnvolles zu tun und mit diesen Menschen frohe Momente zu erleben, in denen Geld überhaupt keine Rolle spielt." Seit diesen Begegnungen definiere er Glück ganz anders.
Middelhoff sprach sich dafür aus, soziales Engagement in die Ausbildung von Managern aufzunehmen. "Ich bin der Meinung, ein paar Wochen oder besser Monate soziale Arbeit sollten zur Ausbildung eines Managers gehören." Middelhoff arbeitete in seiner Zeit als Freigänger bei den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld als Hilfskraft für die in der Behindertenwerkstatt tätigen Fachkräfte und als Assistent für die dort beschäftigten Menschen mit Behinderungen.
Ein Rettungsanker sei für ihn auch das Schreiben geworden. "Wenn ich mich nicht vor meinen PC gesetzt hätte, hätte ich wohl nichts mit mir anzufangen gewusst und wäre vielleicht untergegangen", sagte Middelhoff. Er arbeite gerade an seinem dritten Buch, "täglich von acht bis 19 Uhr".
Der Ex-Manager war 2014 wegen Untreue zu Lasten des Handelskonzerns Arcandor und Steuerhinterziehung verurteilt und vor zwei Jahren wegen einer Autoimmunerkrankung vorzeitig aus der Haft entlassen worden.