Zwei Tage nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg haben Berater von Opfern rechter Gewalt vor einer Zunahme rassistisch motivierter Taten gewarnt. "Wir befürchten eine weitere Eskalation von rechten Gewalttaten", sagte die Geschäftsführerin des Brandenburger Vereins Opferperspektive, Judith Porath, am Dienstag in Leipzig.
Täter fühlten sich durch den Rechtsruck in der Gesellschaft "legitimiert und aufgefordert, den rassistischen Hassreden noch häufiger Taten folgen zu lassen", betonte Porath. Gemeinsam mit weiteren ostdeutschen Vertreterinnen des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) rief sie Politik und Kommunen zu entschlossenem Handeln auf.
Laut VBRG wurden im vergangenen Jahr in den sechs ostdeutschen Bundesländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen insgesamt 1.212 rechts, rassistisch und antisemitisch motivierte Angriffe etwa gegen Flüchtlinge, Migranten und politisch Andersdenkende registriert. Dem Verband gehören bundesweit 14 Beratungsstellen an.
Mehrere Opferberaterinnen kritisierten erhebliche Defizite bei der Verfolgung rechter Straftaten durch die Behörden in Ostdeutschland. Dies habe fatale Folgen, erklärte Andrea Hübler von der Opferberatung RAA Sachsen. Betroffene würden Taten wegen negativer Erfahrungen mit der Polizei zum Teil nicht mehr anzeigen. Dies wiederum signalisiere Gewalttätern, dass auf ihr Handeln "im Grunde nichts folgt", betonte Hübler.
So seien etwa bei den rechtsmotivierten Ausschreitungen in Chemnitz vor einem Jahr 50 Angriffe auf ausländisch aussehende Menschen und Journalisten gezählt worden, erklärte Hübler. Bislang seien nur drei Täter verurteilt worden. Die Ermittlungen nach Angriffen auf mehrere ausländische Restaurants in der Stadt seien allesamt eingesellt worden.
Theresa Lauß von der Thüringer Beratungsstelle ezra kritisierte eine häufig zu beobachtende Täter-Opfer-Umkehr nach rechten Gewalttaten. Nicht selten brächten Ermittler den Opfern Misstrauen entgegen, eingeleitete Verfahren dauerten sehr lange oder endeten ohne Ergebnis. Dies signalisiere Tätern: "Ihr könnt eigentlich machen, was ihr wollt", kritisierte Lauß.
Zur Verbesserung der Situation der Opfer forderte Porath feste Ansprechpartner für Betroffenen in allen Kommunen und Verwaltungen. Zudem sei es wünschenswert, dass deren Vertreter nach rassistischen Angriffen "sofort und unmissverständlich reagieren und den Tätern die Rote Karte zeigen", betonte sie. Zudem dürften Gewaltopfer nicht alleine gelassen werden und müssten auch dann noch Unterstützung erfahren, wenn etwaige Gerichtsverhandlungen erst lange nach der Tat begännen. All diese Maßnahmen erforderten finanzielle Hilfe, erklärte Porath.
Der Direktor des Jenaer Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft, Matthias Quent, betonte, rechte Gewalt sei kein rein ostdeutsches Phänomen. Attentate in Norwegen, Neuseeland oder den USA zeigten, dass Rechtsterrorismus auf Grundlage einer identitären Ideologie global auftrete. Allerdings treffe in Ostdeutschland eine durch AfD-Vertreter besonders radikal und völkisch vorgetragene Ideologie auf ein zum Teil extrem gewaltaffines Klientel, erklärte Quent und resümierte: "Da kommt eine besonders gefährliche Mischung zusammen."