Genf, Addis Abeba (epd). Äthiopische Sicherheitskräfte haben nach dem Putschversuch am vergangenen Wochenende mehr als 250 mutmaßliche Unterstützer festgenommen. 212 bewaffnete Soldaten seien in der amharischen Regionalhauptstadt Bahir Dar, 43 weitere in der Hauptstadt Addis Abeba inhaftiert worden, berichtete die Zeitung "Addis Standard" am Freitag. Der Putschversuch sei offenbar stärker geplant gewesen als zunächst gedacht. Zwei weitere regierungstreue Regionalpräsidenten seien ebenfalls Ziel der Putschisten gewesen, hätten aber überlebt.
Die äthiopische Polizei hatte am Montag den Hauptverdächtigen Asaminew Tsige erschossen. Bei dem Putschversuch am vergangenen Wochenende waren in Addis Abeba und Bahir Dar fünf Menschen getötet worden, unter ihnen der äthiopische Armeechef Seare Mekonnen, der Gouverneur des Bundesstaats Amhara sowie der dortige Generalstaatsanwalt. Sie alle galten als Verbündete von Ministerpräsident Abiy Ahmed, der sich als Reformer profiliert.
Der Hauptverdächtige Tsige war wegen der Planung eines ähnlichen Putschversuchs bereits zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Im Zuge der Öffnung des Landes am Horn von Afrika hatte Abiy ihn im vergangenen Jahr begnadigt. Zuletzt hatte Tsige die Sicherheitsbehörden in Amhara geleitet. In einem Video, das auf YouTube verbreitet wurde, rief er die Bewohner Amharas auf, sich zum Kampf gegen Abiys Regierung zu bewaffnen.
Regierungschef Abiy hatte kurz nach seinem Amtsantritt im April 2018 weitreichende Reformen angestoßen, die das jahrzehntelang autokratisch regierte Land öffnen sollen. Ethnische Konflikte gelten im Vielvölkerstaat Äthiopien jedoch als große Bedrohung für die Stabilität und den Reformkurs des Ministerpräsidenten. Im vergangenen Jahr sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks wegen Kämpfen zwischen Volksgruppen mehr als 1,5 Millionen Äthiopier innerhalb des eigenen Landes geflohen.