Kindesmissbrauch Lügde: Prozess am Landgericht Detmold hat begonnen

Kindesmissbrauch Lügde: Prozess am Landgericht Detmold hat begonnen
Anklageschriften verlesen

Detmold, Lügde (epd). Mit der Verlesung der Anklageschriften hat am Donnerstag am Landgericht Detmold der Prozess im Fall des mutmaßlichen vielfachen Kindesmissbrauchs in Lügde begonnen. Angeklagt sind ein 56-jähriger Dauercamper, ein 34-jähriger mutmaßlicher Mittäter und ein 49-Jähriger aus Stade. Weil die Anklageschrift auch Namen, Adressen und weitere Daten sowie Beschreibungen der möglichen Tathergänge enthält, wurde die Öffentlichkeit für die Dauer der Verlesung ausgeschlossen. Für das Verfahren hat das Gericht zunächst zehn Verhandlungstage bis zum 30. August festgelegt. (AZ: 23 KLs 14/19)

Die Vorsitzende Richterin Anke Grudda warnte zum Prozessauftakt vor einer Vorverurteilung der Angeklagten. Auch für sie gelte die Unschuldsvermutung. Zugleich bezeichnete Grudda die Tatvorwürfe als abscheulich: "Die Vielzahl der Opfer und der Zeitraum von mehr als 20 Jahren, in dem die Kinder und Jugendliche laut Tatvorwurf missbraucht wurden, macht fassungslos", sagte die Richterin.

Dem 56-jährigen Hauptverdächtigen, der als Dauercamper auf dem nahe der Landesgrenze zu Niedersachsen gelegenen Campingplatz lebte, und einem 34-Komplizen wirft die Staatsanwaltschaft mehr als 450 Fälle von Kindesmissbrauch und Herstellung von Kinderpornografie vor. Ein weiterer Angeschuldigter ist angeklagt, weil er an Webcam-Übertragungen teilgenommen haben soll.

Auf einem Campingplatz im lippischen Lügde nahe der Grenze zu Niedersachsen sollen die Männer mehr als 40 Kinder im Alter zwischen vier und 13 Jahren über Jahre hinweg sexuell missbraucht haben. Unter den Opfern war auch das Pflegekind des Hauptverdächtigen. Der Polizei und den Jugendbehörden im Kreis Lippe wird massives Versagen vorgeworfen. So sollen die Behörden vorliegenden Hinweisen auf pädophile Täter jahrelang nicht nachgegangen sein. Die Vorwürfe richten sich auch gegen den benachbarten Landkreis Hameln-Pyrmont.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) wies am Donnerstag den Vorwurf zurück, es gebe in dem Fall ein Netzwerk, das bis in die Behörden reiche. "Wir haben alles untersucht so weit wir es können bisher, und bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass es irgendwelche Netzwerke gibt, die bis in die Verwaltung gehen", sagte Reul dem Bayerischen Rundfunk. Man könne in diesem Zusammenhang nie sagen: "Das gibt es gar nicht." Der Fall sei noch lange nicht aufgeklärt. "Ob es uns allerdings hilft, mit Vermutungen die Unruhe weiter zu stärken, da bin ich skeptisch", erklärte der Minister. Eine unabhängige Expertenkommission zur Aufklärung das Falls, wie es der Deutsche Kinderschutzbund fordert, lehnt Reul ab: "Das ist absurd", sagte der Minister.

Der Düsseldorfer Landtag hatte am Mittwoch die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses beschlossen. Er soll "mögliche Versäumnisse, Unterlassungen, Fehleinschätzungen und Fehlverhalten" der Landesregierung sowie von Polizei und Staatsanwaltschaft als auch der Jugendämter ermitteln, wie es in dem von Regierungs- und Oppositionsparteien getragenen Beschluss heißt.