Die Stabilisierung der Neuen Rechten im politischen Spektrum sei ein großes Problem, sagte der langjährige Leiter der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Langfristig löst das größte Befürchtungen aus, weil erkennbar ist, dass die AfD doch eine ganz andere Vorstellung von Demokratie hat als die Mehrheit der Parteien im demokratischen Spektrum", erklärte Richter. Mit Blick auf die Landtagswahlen in Sachsen am 1. September sprach er von einem" sehr problematischen Signal".
Die AfD hatte bei der Europawahl am Sonntag in Sachsen mit 25,3 Prozent die meisten Stimmen bekommen. Dahinter folgten die CDU mit 23 Prozent und die Linken mit 11,7 Prozent.
Richter sagte, die Ursachen hierfür seien vielfältig. "Wir haben es mit einer Entwicklung zu tun, die lange sichtbar war und die unterschätzt worden ist, was ihren Tiefgang und ihre Nachhaltigkeit angeht", erklärte der evangelische Theologe. Die Berichte des Verfassungsschutzes hätten seit Jahren darauf hingewiesen, dass die rechte Szene etwa im Jugendbereich, bei Fußballfanclubs oder in der Musikszene stetig anwachse, sich stabilisiere und strukturiere.
Insgesamt sei die Gesellschaft gezeichnet von einem "eklatanten Orientierungsnotstand", sagte Richter weiter. Dieser treffe den Osten besonders hart, weil er aus einer ideologisch aufgeladenen, sozialistischen Zeit komme, in der es zumindest theoretisch Ziele, Visionen und Ideale gegeben habe. Die seien nun weg. "Der Nationalismus füllt vielerorts das Vakuum", sagte Richter. "Außerdem ist der Osten Deutschlands eine der säkularsten Regionen Europas", fügte er an. Religion stehe als Ressource den meisten Menschen nicht mehr zur Verfügung.
Zugleich sei die Neue Rechte im Osten unter anderem deshalb erfolgreich, weil sie ein mehrfaches Opfernarrativ pflege. Dies beginne schon bei der Deutung, dass die Ostdeutschen beim Einmarsch der Roten Armee zum Ende des Zweiten Weltkriegs ungleich stärker hätten leiden müssen als die Westdeutschen.
"Unter diesem Narrativ ließ sich die Frage nach der eigenen Täterschaft im Nationalsozialismus bestens verdecken", erklärte Richter. In der DDR habe sich daraus ein unterschwelliger Neo-Nationalsozialismus entwickelt, "der dann auch noch den Schick an sich trug, oppositionell gegen die DDR-Staatsführung zu sein".