Wie die politischen Parteien verlören sie an Bindungskraft, sagte Ziemiak. Die Kraft, sich auf Dauer für etwas zu engagieren, lasse nach. Er halte es daher für keinen Zufall, dass sich insbesondere Menschen, die mit der Kirche sozialisiert wurden, sich später auch politisch engagierten, sagte er.
Ziemiak diskutierte mit Autoren des Papiers und dem politischen Geschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, über das am Donnerstag veröffentlichte "Gemeinsame Wort" der Kirchen. Unter dem Titel "Vertrauen in die Demokratie stärken" äußern die Kirchen darin Sorge um die Zukunft der Demokratie, die durch Verunsicherung und Populismus unter Druck gerate.
Die beiden Kirchen benennen in der Schrift die in ihren Augen vier zentralen Gründe für Verunsicherung und Anfälligkeit für Populismus: Globalisierung, soziale Ungleichheit, Umgang mit Migration sowie Digitalisierung. Sie fordern, in diesen Bereichen nach neuen Antworten zu suchen und fordern Politik und Gesellschaft auf, sich für eine "demokratische Sittlichkeit" in Form von Fairness und Kompromissbereitschaft stark zu machen.
Grünen-Geschäftsführer Kellner sagte, die Kirchen beteiligten sich mit der Schrift an der gemeinsamen Suche nach einem Wir in der Gesellschaft. Er kritisierte aber, dass in dem Vorwort des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und des Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, in einer Reihe von Erwähnungen der diesjährigen Demokratie-Jubiläen die friedliche Revolution in der DDR vor 30 Jahren nicht vorkomme. Bedford-Strohm und Marx verweisen darin auf den 100. Jahrestag der Weimarer Reichsverfassung, den 70. Geburtstag des Grundgesetzes und das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags vor zehn Jahren.
Das Papier wurde auch im Bundestag registriert. Es schreibe der Politik die richtigen Aufgaben ins Stammbuch, erklärte der CDU-Politiker Heribert Hirte mit Blick auf die vier genannten Herausforderungen. Die religionspolitische Sprecherin der Linken, Christine Buchholz, bezeichnete die Schrift als "Signal gegen rechts". Die Kirchen bezögen klar Stellung gegen die Beschneidung von Minderheitenrechten, Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz, religiöse Diskriminierung und Rassismus.