Die jüngsten Durchsuchungen in vier Hunsrücker Kirchengemeinden haben einen neuen Streit über das Kirchenasyl ausgelöst. Die Vorstandsvorsitzende der ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche", Dietlind Jochims, kritisierte eine Kriminalisierung des Kirchenasyls. Der Migrationsexperte der Evangelischen Kirche im Rheinland, Rafael Nikodemus, sprach von einem bundesweit beispiellosen Vorgang und kündigte ein Beschwerde an. "Diese Eskalation haben wir noch nicht gehabt", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Gemeindebüros und private Arbeitszimmer von fünf Pfarrern waren am 31. Januar durchsucht worden. Hintergrund sind mittlerweile beendete Kirchenasyle, die Auslöser für ein Ermittlungsverfahren gegen die Pfarrer aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis in Rheinland-Pfalz waren. Bei der Hausdurchsuchung standen sowohl Gemeindebüros als auch private Arbeitszimmer der Pfarrer im Fokus. "Asyl in der Kirche" erklärte, mit den Durchsuchungen sei eine rote Linie überschritten worden. "Wir sind entsetzt über die jetzt erfolgte weitere Eskalationsstufe und halten ein solches Vorgehen für vollkommen unverhältnismäßig", sagte Vorstandschefin Jochims in Berlin.
Strafanzeige des Landrats als Auslöser
Kirchenrat Nikodemus kündigte an, die rheinische Kirche werde Beschwerde wegen der Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme einlegen. Die Landeskirche beobachte seit einiger Zeit eine Verschärfung der Atmosphäre im Kirchenasyl. Sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch die Länder verstärkten die Restriktionen. "Wir spüren einen enormen Druck der Ausländerbehörden", beklagte der Migrationsexperte. Diese Verschärfungen zeigten sich auch auf der juristischen Ebene: Es würden mehr Strafanzeigen gegen Pfarrer gestellt, die oft aber ausgeräumt werden könnten, sagte Nikodemus. Der Hunsrücker Fall wecke nun Furcht bei Gemeinden. Im Zusammenhang mit den anderen Verschärfungen beobachte er, dass die Zahlen von Kirchenasyl leicht zurückgingen.
Auch der betroffene evangelische Kirchenkreis Simmern-Trarbach zeigte sich nach den Durchsuchungen erschüttert. Superintendent Hans-Joachim Hermes sprach von einer großen Anspannung bei den betroffenen zwei Pfarrerinnen und drei Pfarrern sowie ihren Ehepartnern und Sekretärinnen. "Zum Glück waren die Kinder noch in der Schule", sagte der Theologe dem epd. "Wir sind froh, dass das vorbei ist und hoffentlich nicht wieder passiert." Anlass für die Ermittlungen waren Strafanzeigen des örtlichen Landrats, Marlon Bröhr (CDU), wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt. Die Gemeinden hatten insgesamt neun sudanesische Flüchtlinge ins Kirchenasyl aufgenommen. Mittlerweile haben die Flüchtlinge nach Angaben von Hermes das Kirchenasyl verlassen und leben wieder in ihren Wohnungen.
Sie waren über Italien nach Deutschland gekommen, weshalb ihre Asylanträge nach EU-Recht eigentlich dort bearbeitet werden müssten. Allerdings ist nach einer Frist von sechs Monaten Deutschland für sie zuständig - diese Frist kann indes auf 18 Monate ausgedehnt werden, wenn Kirchengemeinden Verfahrensabsprachen nicht einhalten. "Das Kirchenasyl hat bewirkt, dass sie nicht in die unsägliche Situation nach Italien abgeschoben werden", erklärte der Superintendent. In dem Land lebten viele Asylbewerber in einem erbärmlichen Zustand auf der Straße.