Daher habe Menasse auch wenig Anlass, andere Leute zu kritisieren, sagte Claussen mit Blick auf Menasses Beitrag in der "Welt" (Samstag), wo der österreichische Autor sich zwar für die angeblichen Zitate entschuldigt, den Deutschen in Bezug auf die Positionen Hallsteins aber erneut Vergesslichkeit vorwirft und von "künstlicher Aufregung" spricht.
"Mir scheint, er ist sich nicht klar in dem, was er tut", sagte Claussen. Einerseits erzähle Menasse Geschichten und in der Fiktion sei alles möglich und erlaubt; andrerseits vertrete der Autor eines Brüssel-Romans und Träger des Deutschen Buchpreises von 2017 ein politisches Interesse. "In der Ideenpolitik müsste er sich dem Anspruch von Wahrhaftigkeit unterstellen und dem wird er nicht gerecht", so der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Politik gehorcht anderen Regeln als Literatur und man kann nicht einfach Dinge behaupten, die nicht stimmen."
Dass Menasse seinem Europaprojekt geschadet habe, sieht Claussen nicht. Seine europapolitische Idee habe jedoch erkennbare Schwächen. Man müsste Europa vor "überengagierten Apologeten (Verfechtern, Anm. d. Red.)" eher verteidigen, so der Theologe. Notwendig seien keine "besinnungslos Begeisterten", sondern vielmehr "nüchterne Sympathie".
Es sei gut, dass es heute ein stärkeres Interesse gebe, Menschen wie Menasse oder den früheren "Spiegel"-Autor Claas Relotius auf die Wahrhaftigkeit ihrer Aussagen zu überprüfen, sagte der in Berlin ansässige EKD-Kulturbeaufragte weiter. Wer im öffentlichen Leben stehe, müsse wissen, was er tue - das gelte für Politiker, Pfarrer, Journalisten, Schriftsteller und andere.