Führende Vertreter der großen Kirchen haben zum Jahreswechsel zu mehr Engagement für eine friedliche und gerechte Welt aufgerufen. Papst Franziskus warnte in einer Predigt am Dienstag vor einem kurzsichtigen Profitstreben und erinnerte an das Leid von Kindern in Kriegsgebieten. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sagte, Europa stehe im kommenden Jahr vor der Aufgabe, insbesondere armen und schwachen Menschen Möglichkeiten zu eröffnen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, kritisierte die deutsche Rüstungsexport-Politik. "Am Reden vom Frieden fehlt es nicht", sagte er. "Am Handeln manchmal schon."
Der Papst kritisierte in einer Messe zum katholischen Weltfriedenstag im Petersdom in Rom eine zunehmende Uneinigkeit trotz wachsender Vernetzung. "Wir werden im selben Haus wohnen, aber nicht als Geschwister", sagte er. Weltweit sei jedes sechste Kind von den Folgen bewaffneter Konflikte betroffen, "wenn es nicht sogar selbst Soldat oder Geisel bewaffneter Gruppen wird". Franziskus machte das Wettrüsten und die Verbreitung von Waffen für einen Mangel an Frieden und für Fluchtbewegungen mitverantwortlich.
Kardinal Marx rief zudem zu einer Erneuerung der Kirche nach dem Missbrauchsskandal auf. Diese Notwendigkeit ergebe sich angesichts des Versagens und der Unfähigkeit der Kirche, auf die Herausforderungen und Missstände angemessen zu reagieren, betonte der Kardinal im Silvestergottesdienst im Münchner Dom.
Missbrauch: Verantwortung übernehmen
Auch andere katholische Bischöfe äußerten sich zum Jahreswechsel beschämt über die Missbrauchsfälle in der Kirche und bekräftigen ihren Willen zur Aufarbeitung. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki entschuldigte sich in seiner Silvesterpredigt am Montagabend im Köln Dom noch einmal bei allen Opfern: "Wir haben hier Schuld und Versagen einzugestehen." Der Aachener Bischof Helmut Dieser nannte die Ergebnisse der Missbrauchsstudie der katholischen Kirche "tief erschütternd und beschämend". Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf appellierte, sich der Verantwortung gegenüber den Opfern zu stellen.
Die Deutsche Bischofskonferenz hatte im September eine Studie veröffentlicht, wonach zwischen den Jahren 1946 und 2017 insgesamt 3.677 Minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche wurden. Es fanden sich Hinweise auf 1.670 beschuldigte Kleriker.
Der evangelisch-reformierte Kirchenpräsident Martin Heimbucher betonte, um Politik friedlich zu gestalten, sei es unabdingbar, populistische Scharfmacher zu entlarven. Dazu sei ein demokratisches Miteinander nötig, das bereits früh eingeübt werden müsse - zum Beispiel in der Schule und dem Konfirmandenunterricht.
###mehr|terms|1747###
Wie weitere evangelische Bischöfe stellte Bedford-Strohm die Notwendigkeit für mehr Friedensengagement in den Mittelpunkt seiner Botschaft zum Jahreswechsel: "Frieden kann nur entstehen, wo die Spirale der Gewalt durchbrochen wird." Die Anwendung von militärischer Gewalt sei immer eine Niederlage. "Gleichzeitig ringen wir mit der Frage, ob es Fälle gibt, in denen die Anwendung von Gewalt das kleinere Übel ist", sagte der bayerische Landesbischof.
Bedford-Strohm: Mehr Friedensengagement
Der evangelisch-reformierte Kirchenpräsident Martin Heimbucher betonte, um Politik friedlich zu gestalten, sei es unabdingbar, populistische Scharfmacher zu entlarven. Dazu sei ein demokratisches Miteinander nötig, das bereits früh eingeübt werden müsse - zum Beispiel in der Schule und dem Konfirmandenunterricht.
Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Wachsende Auseinandersetzungen, darunter auch kriegerische wie zwischen Russland und der Ukraine, fordern uns permanent heraus. Und wir müssen uns fragen, was in den vergangenen Jahrzehnten an Friedensinitiativen eigentlich gelungen ist." Deutschland sei immer noch unter den Top fünf bei der Waffenproduktion.
Die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, beklagte, die Welt sei weit davon entfernt, allen Menschen Frieden und Gerechtigkeit zu bieten. "Weltweit wird militärisch agiert und aufgerüstet, anstatt zivile Wege der Konfliktlösung zu stärken", betonte die Theologin am Dienstag in ihrer Neujahrsbotschaft in Erfurt.
Merkel: Globale Lösungen finden
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief zu mehr Zusammenhalt international sowie in Deutschland auf. Nur so seien die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern, sagte sie in ihrer Neujahrsansprache. Als wichtigste Themen nannte die Kanzlerin den Klimawandel, die Migration und den Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Im eigenen Interesse könne man all diese Fragen am besten lösen, "wenn wir die Interessen anderer mitbedenken". Die Regierungschefin beklagte, dass diese Überzeugung heute nicht mehr von allen geteilt werde. Gewissheiten der internationalen Zusammenarbeit würden unter Druck geraten. Merkel kündigte an, dass sich Deutschland mit der Übernahme eines Sitzes im UN-Weltsicherheitsrat am 1. Januar für globale Lösungen einsetzen werde.