Eine große Mehrheit des Kirchenparlaments stimmte am Mittwochabend in Stuttgart dafür, einen entsprechenden Gesetzentwurf des Oberkirchenrats demnächst in Ausschüssen weiter zu bearbeiten. Vor einem Jahr war ein ähnliches Gesetz knapp an der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit gescheitert.
Der neue Entwurf sieht vor, dass der Oberkirchenrat auf Gemeinden zugeht, die zu Gottesdiensten für diese Paare bereit sind. Dabei dürfte es vor allem um sogenannte Regenbogen-Gemeinden gehen, die sich für die Gleichbehandlung Homosexueller auf allen Ebenen einsetzen. Bislang haben sich 78 der rund 1.300 württembergischen Kirchengemeinden der "Initiative Regenbogen" angeschlossen, das sind sechs Prozent. Für ein Segnungsangebot müssten dem Entwurf zufolge vor Ort drei Viertel des Kirchengemeinderats sowie drei Viertel der Pfarrer einer Gemeinde votieren.
Kritik vom Gesprächskreis "Offene Kirche"
Für die Feiern müssen die Gemeinden zudem eine örtliche Gottesdienstordnung einführen. Deshalb wird der Anteil der württembergischen Gemeinden, die überhaupt solche Segnungsgottesdienste anbieten dürfen, vom Gesetz zunächst auf 25 Prozent begrenzt. Sollten mehr als rund 325 Kirchengemeinden solche Feiern einführen wollen, müsste sich die Landessynode erneut damit beschäftigen und eine für die gesamte Landeskirche gültige Gottesdienstordnung beschließen.
Scharfe Kritik an dem Entwurf kam von mehreren Synodalen des Gesprächskreises "Offenen Kirche". Elke Dangelmaier-Vincon nannte ihn eine "scheinheilige Lösung" und "Wischiwaschi". Sie wolle als Pfarrerin gleichgeschlechtliche Paare "ohne Einschränkung" trauen dürfen. Brigitte Lösch sagte, das Papier gehe auf keine einzige Forderung der "Offenen Kirche" ein, Sabine Foth sprach von einer "Ohrfeige für alle gleichgeschlechtlich Liebenden, die ihr Leben unter Gottes Segen stellen wollen".
Vertreter der "Lebendigen Gemeinde" zeigten sich verwundert über die schroffe Ablehnung. Der Nagolder Dekan Ralf Albrecht wies darauf hin, dass es für theologisch konservative Kreise weiterhin "unfassbar schwer" sei, einen öffentlichen Gottesdienst für schwule und lesbische Paare zu akzeptieren. Philippus Maier nannte es "nicht hilfreich", als Kirche etwas zu unterstützen, was die Bibel als Sünde zu bezeichne. Michael Schneider warf der "Offenen Kirche" vor, mit ihrer Ablehnung des Kompromissvorschlags eine Segnung für betroffene Paare zu verhindern.
Keine vollständige Gleichstellung auf absehbare Zeit
Bei 15 Gegenstimmen und vier Enthaltungen verwies die Synode, die mehr als zwei Millionen württembergische Protestanten vertritt, dann aber doch den Gesetzentwurf in die synodalen Ausschüsse für Recht und Theologie. Die Einführung des neuen Gesetzes kann frühestens bei der nächsten Synodaltagung im März beschlossen werden.
Eine vollständige Gleichstellung von homosexuellen mit heterosexuellen Paaren, wie sie in der benachbarten badischen Landeskirche 2016 eingeführt wurde, ist in Württemberg auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Oberkirchenrat Michael Frisch hatte zuvor klargestellt, dass zu einer kirchlichen Trauung laut Bibel und den Bekenntnissen der Reformation explizit Mann und Frau gehören. Für die Einführung einer kirchlichen Ehe von Homosexuellen oder Menschen unbestimmten Geschlechts bräuchte es einen großen Konsens in der Landeskirche, sagte Frisch.