Hundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hat der hannoversche Landesbischof Ralf Meister in Großbritannien zum aktiven Einsatz für Frieden und Versöhnung aufgerufen. "Dieser Krieg mahnt bis heute ganz Europa zum Frieden", sagte der evangelische Bischof am Sonntag in der Kathedrale von Ripon in Nordengland. Frieden brauche Energie, Mut und Überzeugung. Er stelle sich nicht einfach ein, wenn der Krieg vorbei sei. "Frieden braucht Leidenschaft. Er ist kein Traumbild, sondern eine konkrete, aktive politische Handlungsoption", sagte Meister laut Redemanuskript.
Meister war anlässlich des 100. Jahrestags des Waffenstillstands von Compiègne von der Diözese Leeds der anglikanischen Kirche als Prediger zu einem Gedenkgottesdienst am britischen "Remembrance Day" eingeladen worden. Die hannoversche Landeskirche und die englische Diözese sind seit vielen Jahren partnerschaftlich verbunden. Im Gottesdienst, den Meister gemeinsam mit dem anglikanischen Bischof von Leeds Nick Baines hielt, sang auch der Mädchenchor Hannover.
Meister ist auch deutscher Vorsitzender der Meißen-Kommission, in der sich die Kirche von England und die deutschen Protestanten 1991 zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft verpflichtet haben. Am Freitag war Meister zudem zum Leitenden Bischof der deutschen Lutheraner gewählt worden.
In seiner Predigt rief der Theologe die Schrecken des Ersten Weltkriegs in Erinnerung, in dem mehr als neun Millionen Soldaten und mehr als sechs Millionen Zivilisten ihr Leben verloren: "Dieser Krieg ist nicht nur ein furchtbares historisches Kapitel der europäischen Geschichte, sondern er lebt in den Erinnerungen unserer Familien und unserer Kultur fort." Das gelte in England und Deutschland ebenso wie in Frankreich oder Russland. Der Krieg habe Europa zerrissen.
Die Menschen in allen europäischen Ländern seien damals überzeugt gewesen, sie gingen in den Krieg, um sich verteidigen zu müssen. "Diese Haltung erscheint uns vertraut", sagte Meister. Sie gewinne weltweit sogar eine neue Attraktivität. Doch wenn die "nationale Souveränität" verteidigt werden solle, vermischten sich Leidenschaft und Gefühl leicht mit Ressentiment und Abwehr. Der Bischof rief dazu auf, im christlichen Glauben die Grenzen von Nationen und Rassen zu überwinden.
Die Meißener Erklärung wurde 1988 verfasst und 1991 unterschrieben, nachdem der damalige Erzbischof von Canterbury Robert Runcie 1983 zum 500. Jubiläum von Martin Luthers Geburt Dresden besucht hatte. Sein Eindruck von der Ruine der von britischen Bombern zerstörten Frauenkirche motivierte Runcie zur Gründung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zwischen den protestantischen Kirchen in Ost- und Westdeutschland und der Kirche von England zur Versöhnung zwischen den Völkern. Heute gibt es auf der Grundlage dieser Partnerschaft mehr als 40 Meißen-Partnerschaften auf allen kirchlichen Ebenen.