Es ist ein Urteil mit womöglich langfristigen Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt, auf dem kirchliche Arbeitgeber Hunderttausende Menschen beschäftigen: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat am 25. Oktober über die Klage der konfessionslosen Berlinerin Vera Egenberger zu urteilen, die sich um eine nur für Christen ausgeschriebene Stelle bewarb und nicht genommen wurde. Abgesehen von ihrem konkreten Fall wird eine grundsätzliche Antwort erwartet: Inwiefern dürfen kirchliche Arbeitgeber bei der Einstellung Religionszugehörigkeit voraussetzen?
Diakonie besteht auf Konfessionszugehörigkeit
Egenberger hatte sich 2012 beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung beworben. Abgelehnt wurde sie nach ihrer Darstellung allein wegen fehlender Kirchenzugehörigkeit. Die Diakonie hatte die Stelle in der Tat ausdrücklich für christliche Bewerber ausgeschrieben, nannte aber im folgenden Rechtsstreit die aus ihrer Sicht mangelnde Qualifikation Egenbergers als Hauptargument der Ablehnung. Zugleich beharrte die Diakonie darauf, die Konfession voraussetzen zu dürfen.
Bei der befristeten Tätigkeit ging es um einen Bericht zur UN-Antirassismuskonvention. Egenberger verweist auf einschlägige Berufserfahrungen, während die Diakonie meint, einen fachlich besseren und obendrein christlichen Bewerber gefunden zu haben.
Der Fall wanderte bis zum BAG und von dort zum EuGH nach Luxemburg (AZ: C-414/16). Das BAG wollte, bevor es sein Urteil fällt, wissen, wie das EU-Gesetz zur Gleichbehandlung im Beruf auszulegen ist. Kernfrage: Dürfen kirchliche Einrichtungen die Konfession bei allen möglichen Stellen verbindlich vorschreiben - zum Beispiel bei einer Putzkraft und einem Gärtner ebenso wie bei einer Pfarrerin oder einem Heimleiter?
Verbindung zwischen Religion und Beschäftigung muss plausibel sein
Nein, sagte der EuGH. Ob Konfessionszugehörigkeit als Einstellungsvoraussetzung in Ordnung sei, hänge nämlich "vom objektiv überprüfbaren Vorliegen eines direkten Zusammenhangs zwischen der vom Arbeitgeber aufgestellten beruflichen Anforderung und der fraglichen Tätigkeit ab", heißt es im Urteil vom 17. April dieses Jahres. Es müsse also eine plausible Verbindung zwischen Religion und Beschäftigung geben. Die Kontrolle aber, ob die Verbindung im Zweifel gegeben sei, obliege nicht der Kirche selbst - weil sie dann "völlig ins Leere ginge" - sondern einer unabhängigen Stelle wie einem staatlichen Gericht, befand der EuGH.
Egenberger sieht das europäische Urteil als "sehr klare und deutliche Einschätzung", dass die Personalpraxis deutscher konfessioneller Arbeitgeber "nicht richtig ist". Ein entsprechendes Urteil zu ihren Gunsten erhofft sie sich kommende Woche vom BAG - und damit eine Grundsatzentscheidung. Danach sollten kirchliche Arbeitgeber bei Stellenausschreibungen künftig klären müssen, ob die Tätigkeit verkündigungsnah sei, also sehr nahe mit der kirchlichen Lehre zu tun habe, meint die Berlinerin. Falls nicht, dürften sie die Anforderung der Kirchenmitgliedschaft eben nicht stellen.
EKD kritisiert Einschränkung der Gestaltungsfreiheit
Die Diakonie hatte das EuGH-Urteil anders aufgenommen. Das "kirchliche Selbstbestimmungsrecht" sei bestätigt worden, erklärte sie im April und bekräftigte ihr Argument: "Die evangelische Prägung hängt an unseren Mitarbeitenden, die ihre evangelische, christliche Haltung in die Arbeit einbringen." Ähnlich begrüßte die hinter der Diakonie stehende Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), dass der EuGH die von der Kirche selbstbestimmte Gestaltung des Arbeitsrechts im Grundsatz bestätigt habe. Zugleich kritisierte die EKD aber eine Einschränkung ebendieser Gestaltungsfreiheit. Denn die Gerichte eines religiös neutralen Staates hätten "keine Instrumente dafür, differenziert die Angemessenheit der auf die Religion bezogenen Anforderungen an die Mitarbeit am kirchlichen Auftrag zu beurteilen".
Beim BAG ist nun ein Urteil denkbar, bei dem letztlich beide Seiten einen Sieg reklamieren könnten. Der Bochumer Arbeitsrechtler Jacob Joussen hält es für gut möglich, dass Egenberger zwar ihren persönlichen Fall verliert, aber ihr grundsätzliches Anliegen gewinnt. Denn bei der fraglichen Stelle sei es um eine christliche Auslegung der Menschenrechte gegangen und damit sei die Anforderung der Konfession sinnvoll, meint der Juraprofessor, der auch EKD-Ratsmitglied und Aufsichtsrat der Diakonie ist. Generell werde das Bundesarbeitsgericht aber wohl wie der Europäische Gerichtshof den Spielraum kirchlicher Arbeitgeber einschränken, meint Joussen. "Die Kirchen werden dann künftig bei allen Stellen, wo sie die Konfession voraussetzen, eine nachvollziehbare Begründung liefern müssen."