Was haben die Forscher genau untersucht?
Die Forscher sind Hinweisen auf Missbrauchsfälle zwischen 1946 und 2014 in allen 27 katholischen Diözesen in Deutschland nachgegangen. Direkten Zugriff auf Originalakten hatten sie nicht. Personal der Kirche oder Anwaltskanzleien schauten für die Forscher in die Archive und hielten Informationen auf Erfassungsbögen fest.
Wie groß ist das Ausmaß sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche?
Auch wenn die groß angelegte Studie Zahlen liefert, ein umfassendes Bild über das Ausmaß kann sie nicht geben. Angegebene Zahlen seien "untere Schätzgrößen", heißt es in der Studie. Der tatsächliche Wert liege höher, weil nicht alle Akten eingesehen wurden und von einem großen Dunkelfeld ausgegangen werden muss. Die Studie selbst beschäftigte sich mit Hinweisen auf 1.670 beschuldigte Kleriker, die 3.677 Kinder und Jugendliche missbraucht haben sollen.
Wer sind die Opfer?
Zum überwiegenden Teil waren die Opfer männlich (63 Prozent). 35 Prozent der Opfer waren Mädchen, beim Rest ist das Geschlecht nicht bekannt. Gut die Hälfte der Opfer (52 Prozent) war maximal 13 Jahre alt. Sie wurden meist mehrfach zum Opfer, im Schnitt nach den Ergebnissen der Forscher über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr. Drei Viertel der Opfer kannten die Beschuldigten aus dem kirchlichen Kontext, waren etwa Ministranten oder Schüler.
Wer sind die Täter?
Die Forscher sehen nach Analyse der vorliegenden Hinweise drei Tätertypen. Beim "fixierten Typus" sehen sie Hinweise auf eine pädophile Störung. Die Missbrauchsopfer sind in diesen Fällen jünger als 13 Jahre. Beim "regressiv-unreifen Typus" sehen sie Defizite in der persönlichen und sexuellen Entwicklung. Der von den Forschern ausgemachte "narzisstisch-soziopathische Typus" missbraucht seine Machtstellung, laut Studie übt er sie auch in anderen Kontexten "in inadäquater Weise" aus. Generell hält die Studie fest: "Sexueller Missbrauch ist vor allem auch ein Missbrauch von Macht."
Wie ist die Kirche mit Beschuldigungen umgegangen?
Bei den untersuchten dokumentierten Fällen hat die katholische Kirche in rund einem Drittel der Fälle (34 Prozent) kirchenrechtliche Verfahren eingeleitet. In mehr als der Hälfte (53 Prozent) war das nicht der Fall. Beim Rest fehlten die Angaben. Auffällig ist den Forschern zufolge, dass beschuldigte Priester häufiger versetzt wurden als andere Geistliche. Für Kritik schon vor offizieller Veröffentlichung der Studie sorgte zudem der Verdacht, dass relevante Akten verschwunden sind. Sechs der sieben Teilprojekte der Studie "erbrachten Hinweise darauf, dass für die Untersuchungen relevante Personalakten oder andere Dokumente zu früheren Zeiten vernichtet oder manipuliert worden waren", heißt es in der Studie.
Sexualmoral überdenken und Maßnahmen gegen Machtmissbrauch
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Zölibat und Missbrauch?
Die Forscher geben keine eindeutige Antwort. Sie stellten allerdings fest, dass Diakone, die der Pflicht zur Enthaltung nicht unterworfen sind, deutlich seltener beschuldigt wurden als Priester, die den Zölibat versprechen. Beim "regressiv-unreifen" Tätertyp vermuten sie, dass der Zölibat als falsch verstandene Möglichkeit verstanden wird, "sich mit der eigenen sexuellen Identitätsbildung nicht hinreichend auseinandersetzen zu müssen".
Welche Konsequenzen fordern die Forscher?
Die Studie schließt mit umfassenden Empfehlungen, etwa zu Änderungen bei der Priesterausbildung, der Schaffung unabhängiger Anlaufstellen und der Verbesserung kirchenrechtlicher Verfahren bei Hinweisen auf Missbrauch. Sie legen der Kirche außerdem nahe, die strenge katholische Sexualmoral zu überdenken und Maßnahmen zu unternehmen, die Machtmissbrauch verhindern.