Die große Koalition hat sich im Streit um Rente und Arbeitslosenversicherung geeinigt und Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht. Am Mittwoch verabschiedete das Bundeskabinett das Rentenpaket, das als wesentlichen Punkt die sogenannte doppelte Haltelinie vorsieht. Sie garantiert bis 2025 ein Rentenniveau von 48 Prozent, während gleichzeitig der Rentenbeitrag nicht über 20 Prozent steigen soll. Zudem soll das Kabinett noch im September eine stärkere Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung als im Koalitionsvertrag verabredet beschließen. Er soll zum 1. Januar 2019 um 0,5 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent des Bruttolohns sinken.
Auch die Verbesserungen bei der Rente sollen bereits im kommenden Jahr in Kraft treten. Das "Kernversprechen" des Sozialstaats, Sicherheit und Gerechtigkeit für alle Generationen zu gewährleisten, werde damit eingelöst, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch in Berlin. Sein Paket, das gegenüber dem Entwurf aus dem Juli nun mit leichten Änderungen ins Kabinett kam, sieht auch Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und der sogenannten Mütterrente vor.
Einigung der Koalition stößt auf geteilte Reaktionen
Für Erziehungszeiten von vor 1992 geborenen Kindern wird dann ein zusätzlicher halber Rentenpunkt angerechnet. Das entspricht im Westen einer Rentenerhöhung von 16, im Osten von 15,35 Euro pro Monat und Kind. Zunächst war geplant, nur Mütter oder Väter mit mindestens drei Kindern - dann aber mit einem ganzen zusätzlichen Rentenpunkt - zu berücksichtigen. Von der Ausweitung auf alle profitieren Heil zufolge nun zehn statt drei Millionen Mütter und Väter.
Die höhere Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung war eine Forderung der CDU. Die SPD setzte im Gegenzug einen Ausbau der Förderung beruflicher Weiterbildung durch. Von der vorgesehenen Senkung um 0,5 Prozentpunkte sollen dem Kompromiss zufolge nur 0,4 Prozentpunkte gesetzlich fixiert werden. Der Anteil von 0,1 Prozentpunkten wird bis Ende 2022 befristet. Ob der Beitrag dann wieder steigt, wird Heil zufolge von den Rücklagen bei der Bundesagentur für Arbeit abhängen. Die Koalition einigte sich darauf, dass sie 0,65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen soll. Derzeit entspricht das 22,5 Milliarden Euro.
Während der Deutsche Gewerkschaftsbund das Rentenpaket als Stärkung der gesetzlichen Altersvorsorge lobte, kam von der Opposition Kritik. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr erklärte, der Beschluss bedeute eine faktische Rentenbeitragserhöhung und steigende Bundeszuschüsse aus Steuergeldern. Heil will von 2021 bis 2024 einen sogenannten Demografiefonds mit zwei Milliarden Euro jährlich ansparen.
Die Grünen wiederholten ihre Forderung nach einer Bürgerversicherung bei der Rente. Der Rentenpolitiker Markus Kurth (Grüne) sagte, alle Erwerbstätigen, also auch Selbstständige, Abgeordnete und Beamte müssten einzahlen, um über den "demografischen Berg" zu kommen. Linken-Chef Bernd Riexinger kritisierte, die SPD sei mit ihrem Vorhaben gescheitert, das Rentenniveau über 2025 hinweg festzuschreiben. Altersarmut werde damit zudem nicht verhindert.
Die SPD hatte in der Diskussion eine Rentengarantie bis 2040 gefordert. Bei der Union stieß das aber auf Widerstand, nachdem im Koalitionsvertrag nur die Haltelinie bis 2025 vereinbart wurde. Über die Zeit danach soll beschlossen werden, nachdem die von der großen Koalition eingesetzte Renten-Kommission ihre Ergebnisse vorgelegt hat. Arbeitsminister Heil betonte, sein Ziel bleibe, das Rentenniveau dauerhaft nicht unter 48 Prozent fallen zu lassen. Wenn das in dieser Wahlperiode nicht beschlossen werden könne, werde seine Partei dies im nächsten Bundestagswahlkampf zum Thema machen.