Ein Jahr nach Beginn der Massenvertreibung der Rohingya aus Myanmar haben am Samstag Zehntausende Angehörige der muslimischen Minderheit in den Flüchtlingscamps in Bangladesch protestiert und auf ihre Lage aufmerksam gemacht. Wie unter anderem die Zeitung "Dhaka Tribune" am Wochenende berichtete, verlangten sie Gerechtigkeit: Myanmar solle sie als ethnische Minderheit und als Staatsbürger anerkennen. Zugleich kritisierten Menschenrechtsorganisationen, dass es die Weltgemeinschaft versäumt habe, die Verantwortlichen für die Gräuel zur Rechenschaft zu ziehen. "Dieser Jahrestag ist eine Schande", sagte Tirana Hassan, Direktorin des Krisenreaktionsteams von Amnesty International.
Morde, Vergewaltigungen, Folter und das Niederbrennen Hunderter Dörfer
Unter dem Titel "Rohingya-Völkermord-Gedenktag" gab es am Samstag sowie in der Nacht zu Sonntag weltweit Proteste, darunter in Australien, Südkorea, Schweden und Kanada. Myanmars Streitkräften werden Morde, Vergewaltigungen, Folter und das Niederbrennen Hunderter Dörfer im westlichen Rakhine-Staat vorgeworfen. Im Zuge der brutalen Offensive waren mehr als 700.000 Rohingya ins benachbarte Bangladesch geflohen, wo sie seither in Cox's Bazar in Camps leben. Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" hatte Ende 2017 dokumentiert, dass allein im ersten Monat der Gewaltwelle zwischen dem 25. August und 24. September mindestens 6.700 Rohingya getötet wurden. Etwa 730 davon seien Kinder unter fünf Jahren gewesen.
Weil schon in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Angehörige dieser muslimischen Volksgruppe aus dem mehrheitlich buddhistischen Myanmar vertrieben worden waren, harren in Bangladesch mittlerweile mehr als eine Million Flüchtlinge aus. "Solange diejenigen, die für Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich sind, nicht zur Rechenschaft gezogen werden, sendet die internationale Gemeinschaft das Signal aus, dass das myanmarische Militär nicht nur für vergangene Verbrechen mit Straflosigkeit rechnen, sondern auch zukünftig straflos agieren kann", sagte Tirana Hassan von Amnesty International.
Abkommen zur Rückführung ein PR-Trick
Unterdessen kritisierte Human Rights Watch Myanmars De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi für Äußerungen, wonach es an Bangladesch liege zu entscheiden, wie schnell der Prozess für die Rückführung der Flüchtlinge abgeschlossen werden soll. Das sei völlig falsch, sagte Bill Frelick, Flüchtlingsexperte der Organisation. Die Verantwortung für diese Krise trage Myanmar. Myanmar und Bangladesch hatten Ende November 2017 ein Abkommen zur Rückführung der Flüchtlinge unterzeichnet. Kritiker aber bezeichneten dieses als "PR-Trick", weil die Sicherheit der Rohingya in Myanmar keinesfalls garantiert sei.
Nachdem die Rohingya-Miliz Arsa vor einem Jahr Dutzende Polizeiposten in Rakhine überfallen und zwölf Sicherheitskräfte getötet hatte, nutzte Myanmars Armee die Angriffe als Vorwand, um unter dem Deckmantel eines Anti-Terror-Kampfes gegen die gesamte Rohingya-Bevölkerung vorzugehen. Die Organisation "Fortify Rights" hat dokumentiert, dass die Offensive des Militärs von langer Hand vorbereitet wurde. Diese Tatsache widerspreche der Darstellung Myanmars, wonach das brutale Vorgehen gegen die muslimische Volksgruppe "spontan" initiiert worden sei. Menschenrechtler und UN werfen Myanmar "ethnische Säuberungen" und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Zunehmend wird auch von Völkermord gesprochen.