Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag) bezeichnete der Jurist den Ausdruck "Herrschaft des Unrechts", den CSU-Chef Horst Seehofer im Februar 2016 im Zusammenhang mit der Aufnahme vieler Flüchtlinge verwendet hatte, als "inakzeptable" Rhetorik. Dadurch seien Assoziationen zum NS-Unrechtsstaat beabsichtigt, die "völlig abwegig" seien.
Zum Begriff der "Anti-Abschiebeindustrie", den CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Mai mit Blick auf Flüchtlingshelfer und Asylanwälte benutzt hatte, sagte Voßkuhle: "Wer rechtsstaatliche Garantien in Anspruch nimmt, muss sich dafür nicht beschimpfen lassen."
Zugleich warnte Voßkuhle davor, aus falsch verstandener politischer Korrektheit immer gleich den Populismusvorwurf zu erheben. Zuspitzung gehöre zur politischen Auseinandersetzung. Das Hauptproblem des Populismus sei nicht, dass mit harten Bandagen gestritten werde, sondern dass er die "Grundannahmen unserer pluralen Demokratie" untergrabe.
Allgemein würden Diskussionen über Migration und Flüchtlinge "teilweise ziemlich schrill" geführt und seien "der Komplexität der Situation nicht angemessen", kritisierte Voßkuhle. In der Auseinandersetzung ginge es "viel um Gefühle". Sie ersetzten aber nicht die nüchterne Analyse "und eine rationale Entscheidungsfindung schon gar nicht". Von der Justiz forderte der Verfassungsgerichtspräsident, sie müsse ihre Urteile, aber auch ihre Arbeitsweise besser erläutern: "Denn das Recht erklärt sich nicht von selbst."