Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge...

Apfelbaum
Foto: redstallion/iStockphoto/Getty Images
"Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen."
Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge...
Verantwortungsvolle junge Menschen sind die beste Nachricht
Wer ein freiwilliges soziales Jahr leistet, entwickelt sich in dieser Zeit persönlich stark weiter. Das hat einen wichtigen Grund: Sie lernen Verantwortung zu übernehmen – für sich und für andere.
31.07.2018
EKD-Flugschrift Reformationstag 2018

Jedes Jahr im September beginnt für uns ein neues Abenteuer. Zwölf junge Erwachsene beginnen dann auf dem Kirschkamperhof ein Freiwilliges Soziales Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst. Für sie alle ist es ein großer Schritt. Ein ganzes Jahr lang werden sie hier bei uns wohnen und arbeiten. Weg von zu Hause, von ihrer Familie und ihren Freunden.

In den ersten Wochen bringen wir ihnen alles bei, was sie hier können müssen. Sie lernen, Gerichte für 150 Personen zu kochen. Sie lernen, wie man einen Traktor fährt. Sie lernen, wie man Pferde füttert und Spiele mit Kindern anleitet. Vor allem aber lernen sie, in Gemeinschaft zu leben und zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen. Für sich selbst und für andere.

Und wenn unser Jahresteam nach einem Jahr wieder geht, ist das zwar immer ein trauriger Moment, weil wir sie liebgewonnen haben und weil sie über die Zeit verlässliche Mitarbeiter geworden sind. Es ist aber auch ein hoffnungsvoller Moment. Denn wenn wir die Person, die am Anfang des Jahres zu uns kam, mit der Person vergleichen, die uns am Ende des Jahres verlässt, dann hat sie sich nicht nur viele Fertigkeiten angeeignet, sondern man sieht eine unglaubliche Entwicklung in puncto Selbstständigkeit, Selbstvertrauen und Verantwortungsbewusstsein.

Woran liegt das? Daran, dass ein Jahr einfach eine lange Zeit ist? Daran, dass sie das erste Mal nach der Schule ins Arbeiten kommen? Am Tapetenwechsel? Vielleicht ja. Ich glaube aber, der Schlüssel ist ein anderer: Verantwortung. Wir geben den jungen Menschen Verantwortung. Bereits beim Vorstellungsgespräch sage ich ihnen: Wir erwarten Eigenverantwortung. Wer nur darauf wartet, dass ihm jemand sagt, was er tun soll, ist hier falsch. Und das merkt man.

Verantwortungsvolle Menschen prägen ihr Umfeld

Es gibt viele Momente im Jahr, in denen ich das Konzept infrage stelle. Dann, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ich es mir vorstelle. Dann, wenn wieder aus Unachtsamkeit irgendwas kaputtgegangen ist. Dann, wenn mal wieder alle mit Tunnelblick herumlaufen und nicht nach links und rechts sehen. Aber Verantwortung zu lernen, braucht eben seine Zeit.

Und wenn ich am Ende des Jahres sehe, wie verantwortungsvoll mein Team geworden ist, dann macht mich das froh. Weil wir diese Menschen in unsere Welt und unsere Gesellschaft entlassen und sie dort mit genau diesen Werten einen bleibenden Eindruck hinterlassen werden. Egal, was sie später machen. Viele gehen in den sozialen Bereich oder werden Lehrer. Sie werden wiederum Kinder und Jugendliche prägen. Andere werden Verwaltungsangestellte, Koch, Biologin oder Schreiner. Und sie werden von dort aus ihr Umfeld prägen.

Diese Generation von jungen Menschen beeindruckt mich. Weil sie bereit ist, Verantwortung zu lernen und anzunehmen. Und in allen schlechten Nachrichten, die diese Welt produziert, sind verantwortungsvolle junge Menschen die beste Nachricht, die sich dem entgegenstellt. Wie ein Apfelbäumchen, das blüht.