Der EU-Außenpolitiker Elmar Brok (CDU) hat die italienische Regierung für ihre angedrohte Blockade von Flüchtlingsrettungsschiffen im Mittelmeer scharf kritisiert. Dass Italien nicht einmal mehr die Schiffe der EU-Marinemission "Sophia" einlaufen lassen will, wenn sie Flüchtlinge an Bord haben, sei "der Tiefpunkt der Menschlichkeit", sagte Brok den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag/Montag). Es sei ausdrücklich Bestandteil des Auftrags der EU-Mission, auch Menschenleben zu retten. "Italien schafft eine unerträgliche Situation", kritisierte Brok.
Die italienische Regierung hatte damit gedroht, Schiffe der EU-Mission mit geretteten Bootsflüchtlingen nicht mehr in italienische Häfen einlaufen zu lassen, und damit eine sofortige Überprüfung des Marineeinsatzes vor der libyschen Küste erzwungen.
Der EU-geführte Marinemission "Sophia" hat die Aufgabe, Menschenschmugglern und Schleppern das Handwerk zu legen, ist aber auch an der Seenotrettung beteiligt. Die Schiffe kreuzen im zentralen Mittelmeer, wo ein Großteil der Migranten versucht, nach Italien und damit in die EU zu gelangen. An der Mission ist auch die Bundeswehr beteiligt.
Brok forderte, im Zuge der Einsatzüberprüfung müsse die EU nun mit größerer Konsequenz und mehr Geld gegen Schleuser im Mittelmeer vorgehen. Zudem müsse mit den nordafrikanischen Ländern verstärkt über die Einrichtung von Lagern für Flüchtlinge verhandelt werden, die von den Vereinten Nationen geführt und finanziert werden. Brok regte dazu ein Gipfeltreffen von EU, nordafrikanischen Ländern und UN an.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte der "Bild am Sonntag" zur Weigerung Italiens, weiterhin Schiffe mit Migranten in seine Häfen zu lassen: "Das ist ein tödlicher Wettlauf der Schäbigkeit." Es müsse endlich eine Reaktion der EU-Kommission und der anderen Mitgliedsländer geben. Italien verstoße gegen europäische Regeln. Aber natürlich müssten im Gegenzug die anderen EU-Staaten und damit auch Deutschland Flüchtlinge von den Schiffen aufnehmen.
Roth warf Europa vor, bei der Seenotrettung seine Werte zu verraten. "Unsere Humanität droht im Mittelmeer zu ertrinken", sagte die Politikerin. "Ich habe als Mädchen im Mittelmeer schwimmen gelernt, damals war es das Meer der Träume. Heute ist es das Meer des Todes." Der Juni sei bisher der tödlichste Monat des Jahres gewesen, weil Seenotrettung "systematisch blockiert" werde, kritisierte Roth.
Auch die private Seenotrettung leidet unter der Blockadehaltung. Die Mehrheit der Deutschen unterstützt private Seenotretter, wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für "Bild am Sonntag" ergab. 75 Prozent der Deutschen finden es demnach richtig, dass private Hilfsorganisationen Flüchtlinge im Mittelmeer retten und nur 21 Prozent sind dagegen. Nur sieben Prozent wollen allerdings, dass Deutschland mehr Flüchtlinge als bisher aufnimmt. 30 Prozent sagten, es sollten etwa so viele wie derzeit aufgenommen werden. 42 Prozent wollen, dass es weniger werden. Elf Prozent sind gegen jede Aufnahme.
In mehreren deutschen Städten demonstrierten am Wochenende Menschenrechtsgruppen, Flüchtlingsorganisationen und Bürgerinitiativen für die Seenotrettung von Flüchtlingen. Die Kampagne "Seebrücke - schafft sichere Häfen" meldete auf Twitter Aktionen in insgesamt elf Städten am Samstag, unter anderem in Düsseldorf, wo mehrere hundert Menschen friedlich demonstrierten. Bereits an den vergangenen Wochenenden waren in zahlreichen Städten Tausende Menschen auf die Straße gegangen.
Eine Anfang Juli gestartete Online-Petition, die Politik und Kirchen zum Einsatz für eine humane Asylpolitik aufruft, hat inzwischen mehr als 90.000 Unterstützer. Das zeige, dass die Petition etwas zum Ausdruck bringe, "was vielen Menschen auf der Seele liegt und was sie zum Ausdruck gebracht haben möchten", sagte Mitinitiatorin Beatrice von Weizsäcker, Präsidiumsmitglied des Deutschen Evangelischen Kirchentags, am Samstag im Deutschlandfunk. Die Autorin hatte die Petition auf "change.org" gemeinsam mit dem Grünen-Europaabgeordneten Sven Giegold und dem Historiker Ansgar Gilster veröffentlicht. Beide sind ebenfalls Präsidiumsmitglieder des Kirchentags.